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"Fantastische Welten" im Städel Museum: Geheimnisvoll glimmendes Licht

Im Gegensatz zu Dürer: Die Künstler um Albrecht Altdorfer suchten das "Expressive". Eine Ausstellung in Frankfurt widmet sich der sogenannten Donauschule.

Eine solche Ausstellung gibt es in jeder Generation nur einmal. "Fantastische Welten. Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500" heißt sie und findet im Franfurter Städel Museum statt; ihr Gegenstand: die so genannte Donauschule. Darunter subsumierte die Kunstwissenschaft jene Künstler, die zur Zeitenwende um 1500 zwischen Passau und Wien tätig waren und sich durch stilistische Gemeinsamkeiten auszeichnen. Nicht viele Namen wurden zur Donauschule gezählt, neben Altdorfer noch der Maler Wolf Huber sowie die Bildhauer Hans Leinberger und der nur hilfsweise genannte "Meister IP".
Gemeinsam ist diesen Künstlern neben der geografischen Nachbarschaft - Altdorfer wirkte in Regensburg, Leinberger in Landshut - eben jenes "Fantastische" und "Expressive", jene Übersteigerung der Wirklichkeit, die so gut zu den meist biblischen Historienbildern passt, zu all den Mysterien, von denen die Bibel berichtet. Und damit ist der Gegensatz zur Zentralfigur der deutschen Renaissance benannt, zu Albrecht Dürer, der eine klassische, überzeitliche Schönheit suchte.
Dass es um 1500 expressive Tendenzen in ganz Europa gab, ist fast schon trivial; wie sollte es anders sein in einer so grundstürzend neuen Epoche, in der tiefsten Zeitenwende des Abendlandes? Altdorfer lässt das Licht geheimnisvoll glimmen, das göttliche alles irdische überstrahlen; Wolf Huber, wie Altdorfer ein hinreißender Landschaftsmaler, zeigt Welten, die ganz naturnah und doch eben fantastisch sind. Die Bildhauer holen aus dem weichen Lindenholz die tollsten Figuren in Drehung und Verdrehung heraus, modellieren wild fallende Locken und Bärte, überwinden die Grenzen des Holzes zu vollplastischen Ansichten. Übrigens waren die Skulpturen nicht farbig gefasst: Aller Ausdruck musste also aus dem monochromen Holz hervorgehen.

Albrecht Altdorfer mit schwer zu entziffernder Aussage

Jochen Sander, der Kurator dieser Übersicht, hat für die Besonderheit der Donauschule eine einfache, einleuchtende Erklärung. Nach Dürer verlor desssen „mühsam erarbeitete Ideal jedoch einen Gutteil seiner Faszination", schreibt er im Katalog: "Ähnlich wie im Fall des gleichzeitigen italienischen Manierismus wird nun gerade die Grenzüberschreitung, die bewusste Normverletzung zugunsten einer expressiven Ausdruckssteigerung Trumpf."
All das spiegelt sich in den in Frankfurt gezeigten Werken. Wolf Hubers Federzeichnungen wuchernder Bäume (um 1520) - etliche Blätter aus dem Berliner Kupferstichkabinett! -, Altdorfers nur blattgroßes Gemälde "Landschaft mit Burg", das wie seine Alexanderschlacht eine "Weltlandschaft" ist mit einer für Heutige schwer zu entziffernden moralischen Aussage, oder aber der hölzerne Johannesaltar aus der Prager Teynkirche vom "Meister IP" (um 1520) oder gar die ekstatischen "Zwölf Apostel" des Meisters aus Zwettl, die buchstäblich aus dem Holz heraustreten - ob nun Donauschule oder europäisches Phänomen: Diese Kunst hat es verdient, als gleichwertig neben die klassisch vollendete Kunst eines Dürer ins Bewusstsein zu treten.
Frankfurt/M, Städel-Museum, bis 8. Februar. Katalog im Hirmer-Verlag, 34,90 €

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