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György Ligeti gestorben: Großer Erneuerer der Musik

Schon den Frankfurter Musikpreis hatte György Ligeti im vergangenen Jahr nicht mehr persönlich entgegen nehmen können.

Wien - Seine angeschlagene Gesundheit machte es ihm unmöglich, für die Auszeichnung für sein Lebenswerk von Hamburg an den Main zu reisen. Doch trotz Krankheit und einiger Operationen war der 83-jährige Komponist, der als Motor der Avantgarde galt, bis zuletzt kreativ tätig. Seine stete Suche nach einer neuen Musiksprache brachte ihm große Bewunderung ein. Am Montag starb Ligeti in Wien.

Ligeti, selbst Pop-Art-Freund und Beatles-Fan, war einer der meistgespielten Gegenwartskomponisten. Seit den 60er Jahren, als der junge Musiker aus der Kölner Avantgarde-Gruppe um Boulez, Stockhausen und Nono mit seinem Orchesterwerk «Apparitions» erstmals von sich hören machte, ist sein Werk bei internationalen Festivals ebenso präsent wie in den großen Konzertsälen. Als Lehrer und Musikwissenschaftler hatte er sich jedoch längst aus der Szene verabschiedet: «Man wird gewählt in Akademien und Gremien, aber der eigenen künstlerischen Arbeit nützt das nichts», begründete er einmal seinen Rückzug aus dem Musikbetrieb.

Musikalischer Erneuerer

In früheren Jahren war der musikalische Erneuerer häufiger Gast an Universitäten von Stockholm bis Stanford, geschätzt als scharfsinniger Analytiker moderner Musik. In Hamburg leitete er von 1973 bis zu seiner Emeritierung 1989 eine Kompositionsklasse. Als junger Musiker setzte sich Ligeti kritisch mit der seriellen Musik auseinander und entwickelte das Prinzip der «Klangflächenkomposition». Dabei überlagerte er rhythmische Strukturen, die sich zu einer homogenen Klangmasse fügen.

Zweites bestimmendes Element in seinem musikalischen Schaffen wurde die «Mikropolyphonie» mit ihren dichten Verflechtungen von Stimmen, die einzeln nicht mehr zu verfolgen sind. Durch ungewöhnliche Kombinationen von Stimme und Instrumenten entsteht in seinem Werk eine charakteristische Klangwelt. Als «extremen Farbenmischer» beschrieb ein Kritiker einmal den eigenwilligen Tonsetzer und befand: «Keine Dissonanzen klingen schöner als diejenigen Ligetis».

Ligeti, der am 28. Mai 1923 in Siebenbürgen im heutigen Rumänien geboren wurde, floh nach dem Ungarn-Aufstand 1956 zunächst nach Wien und lebte bis zuletzt dort und in Hamburg. Fünf Jahre später gelang dem 38-Jährigen mit dem Orchesterstück «Atmosphères» bei den Donaueschingen Tagen der Neuen Musik der Durchbruch. 1962 erregte sein «Poème symphonique» für 100 Metronome Aufsehen.

Komplexe Kompositionsweise

Als er in den 70er Jahren begann, sich auf Tradition, Harmonie und Rhythmus zurück zu besinnen und einen eigenen Weg zwischen Avantgarde und Postmoderne suchte, warfen ihm Kritiker «Verrat an der Avantgarde» vor oder belächelten ihn als «Neuen Romantiker». Seine Musik wurde durchsichtiger, doch blieb er auch bei seinen Werken der 1980er und 90er Jahre seiner komplexen Kompositionsweise treu.

Zu einem Streit mit dem Regisseur Peter Sellars kam es, als Ligeti seine einzige Oper «Le Grand Macabre» von 1978 für die Salzburger Festspiele 1997 völlig neu konzipierte. Die Aufführung wurde zu einem großen Erfolg, und doch fühlte sich der Komponist vom Regisseur «betrogen» und attackierte den Regiestar wegen «Falschmünzerei» und «semantischer Subversion».

Ligeti hielt nichts von politisierter Musik und ideologischen Botschaften hinter den Noten, zeigte sich aber in der öffentlichen Diskussion gerne streitbar. Er kritisierte die Vereinigung der beiden Berliner Akademien der Künste nach dem Fall der Mauer. Den Komponisten Stockhausen, der die Terroranschläge vom 11. September 2001 als «größtes Kunstwerk, das es je gegeben hat...», bezeichnet hatte, griff er als «Größenwahnsinnigen» an. Und im Oktober 2001 schloss er sich dem Aufruf des Liedermachers Wolf Biermann an, die PDS in der Berliner Wahl nicht zu unterstützen.

"Grenzüberschreitende Leistung"

Meist aber lebte der Musiker zurückgezogen in seiner Hamburger Wohnung. Der vielfach ausgezeichnete Komponist wurde 1975 in den Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste aufgenommen und war seit 1998 assoziiertes Mitglied der Akademie der Schönen Künste in Paris. Er erhielt die international bedeutendsten Musik- Auszeichnungen, darunter den Praemium Imperiale, den Siemens- Musikpreis und 2004 den Polar-Musikpreis der schwedischen Musikakademie für seine «grenzüberschreitende Leistung als Komponist». Die Stadt Frankfurt ehrte ihn 2003 mit dem Adorno-Preis und 2005 mit ihrem Musikpreis. (Von Irmgard Schmidmaier, dpa)

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