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Stefanie Reinsperger in der Titelrolle des „Theatermachers“. Foto: Matthias Horn/BE

© Foto: Matthias Horn/BE

Großes Solo für Stefanie Reinsperger: „Der Theatermacher“ am Berliner Ensemble

Ein Stück aus der guten alten Theaterzeit: Oliver Reese inszeniert die Backstage-Komödie von Thomas Bernhard aus den 1980er Jahren.

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Geisterstunde am Schiffbauerdamm. Direktor Oliver Reese hat ein Stück von Thomas Bernhard aus der Kiste geholt, den „Theatermacher“. Da kommt naturgemäß Claus Peymann ins Spiel, Reeses Vorgänger am Berliner Ensemble und Regisseur der Uraufführung 1985 bei den Salzburger Festspielen.

Es wird auch eine Begegnung mit den inzwischen verschatteten Lichtgestalten der eigenen Theatervergangenheit. Wir haben das damals sehr geliebt, diese märchenhaft böse und auch possierliche Kunstwelt. Da gab es kein Draußen, das Reich der Bühne erschien groß und mächtig und geschlossen. Theater war die Königsdiziplin nicht nur des Feuilletons, und die Theatermacher – Macherinnen gab es kaum – waren die Könige.

Wer ist mit der Monsterfigur gemeint?

In einem Interview vor auch schon wieder reichlich zehn Jahren fragte sich Peymann, „wen Thomas Bernhard mit dem Theatermacher gemeint hat, den Oskar Werner, den Peter Stein oder doch den Claus Peymann? Bei Bernhard wimmelt es nur von Verrückten.“ So wunderbar bescheiden war man damals, und es kann gar nicht bezweifelt werden, dass Peymann das Vorbild war. Und Stein. All die Theaterkracher der guten alten Zeiten stecken in Bernhards Horrorfigur.

Dieser prototypische „Theatermacher“ ist ein Tyrann, ein menschliches Schwein, ein Sadist, Misanthrop, Frauenhasser und noch vieles mehr. Eben ein Großregisseur der alten Schule, die man damals verehrte wie Halbgötter. Bernhards Rachlust hat auch sie nicht verschont. Der „Theatermacher“ ist letztendlich ein armes Würstel, drittklassiger Künstler, zum Tingeln über die Dörfer verurteilt, ein Versager, der scheitern muss, ohne die Würde und Gnade einer Beckett-Figur zu erlangen.

Heute sind das toxische Strukturen

Heute spricht man bei solchen Persönlichkeiten von Missbrauch und toxischen Machtstrukturen. Was macht Oliver Reese daraus, was fängt er mit dieser Antiquität an, die quietscht wie eine ewig nicht geöffnete, ungeölte Tür?

Mit Stefanie Reinsperger hat das BE einen Theatermacher, der mehrfach gebrochen wird. Patriarchen wie Traugott Buhre, der den ersten „Theatermacher“ spielte, oder auch Bernhard Minetti in etlichen Bernhard-Stücken behaupteten trotz aller Bernhard-Lasten ihren Thron. Stefanie Reinsperger wirkt aber schon beim Eintritt in das verdreckte Kneipenhinterzimmer, wo der Theaterkünstler auftreten soll, völlig verzweifelt. Und sie wird sich immer tiefer hineinstürzen und -wühlen in den Sumpf, aus dem sie sich nicht herausziehen kann.

Thomas Bernhard 1988 in Wien.

© imago images/SKATA / imago stock

Das Stück ist im Grunde ein gut zweistündiger Monolog und der Theatermacher sein eigener Stichwortgeber. Der Rest der bedauernswerten Theaterfamilie – Ehefrau, Tochter und Sohn – hat nicht nur nichts zu sagen, sondern dient fast stumm als masochistische Statisterie. Man könnte die problematischen Röllchen ausbauen, aber Regisseur Reese konzentriert sich ganz auf Stefanie Reinsperger und ihren Kampf um die vergebliche Theaterkunst.

Beabsichtigt oder nicht: Die Tatsache, dass eine Frau das Riesenekel spielt, mit feinem Sinn fürs Grobe, macht das Monster fast wieder sympathisch. So dass man nicht mehr vor ihm Angst haben muss, sondern vielmehr für es fürchtet, das große Kind.

Die schrammelnde, walzernde Live-Musik verleiht der Aufführung einen nostalgischen Anstrich. Wie heil die Welt da aussah, eben weil der Herr Theatermacher sich aufführen kann wie der größte Kotzbrocken, ohne Widerstand zu erfahren.

Bemerkenswert Wolfgang Michael als Wirt: Er schaut den Wüterich mit seinem Welttheaterwahn wie einen Außerirdischen an. Auf seinem großen, stoischen Gesicht stehen Neugier und Abscheu zugleich, ebenso Schadenfreude und ein Anflug von Mitgefühl für die Kreatur, die sich für ein Genie hält.

Reinsperger gibt all ihre unglaubliche Kraft für ein Theater von gestern. Damals aber – das ist klar wie Frittatensuppe – wurde noch Komödie gespielt. Und dahin geht das Sehnen. Bloß nicht immer so bitter und ernst!

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