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FKA Twigs, bürgerlich Tahliah Barnett, aus London.

© Dominic Sheldon

FKA Twigs live in Berlin: Heißkalte Diva

Die Londoner Sängerin FKA Twigs demonstriert mit einer streng durchchoreografierten Performance im ausverkauften Berliner Kesselhaus, warum sie zu den aufregenderen Pop-Hypes des Jahres zählt.

Du fragst dich, was ich mache, wenn du nicht da bist, Geliebter? Dann hör mal gut zu und schau genau hin. Kiekser, Stöhner und Seufzer hallen durch den rot leuchtenden Betonraum, zögerlich zuckt ein schwächlicher Beat, Bässe brummen kurz auf. Alles umspült und umgarnt das Kraftzentrum in der Bühnenmitte: Tahliah Barnett alias FKA Twigs. „When I’m alone / I don’t need you / I love my touch / Know just what to do“, singt sie, während ihre linke Hand mit schnellen Bewegungen über den Hals, den Kopf und die Brust näher erläutert, was gemeint ist.
Diese Selbstbefriedigungsfeier bildet einen der Höhepunkte des einstündigen, zugabelosen Auftritts der 26-jährigen Londonerin im ausverkauften Berliner Kesselhaus. Der Song heißt „Kicks“ und wirkt schon deshalb so sexy, weil FKA Twigs viel subtiler agiert als etwa Madonna oder Miley Cyrus bei ihren berüchtigten Masturbationsperformances. Andeutungen genügen, Fantasie und Lust werden beiläufig entfesselt. Genau so verhält es sich auch mit ihrer zerklüfteten Musik, die stark mit Auslassungen und Reduzierungen arbeitet und sich einer klaren Genreeinordnung entzieht. Seit vor einem Jahr FKA Twigs’ „EP 2“ und diesen Sommer ihr Debütalbum „LP 1“ erschienen, versucht die begeisterte Musikpresse ihren Sound mit Begriffen wie Post-R’n’B, Neo-Trip-Hop oder Poststep-Soul umschreiben. Was alles ein bisschen zutrifft.
Einen tollen Portishead-Moment erzeugt sie im Kesselhaus etwa mit dem Intro von „Lights Out“, bei dem ihre Stimme, begleitet von xylophonähnlichen Tupfern, in zarteste Sehnsuchtshöhen abhebt. Drei im Halbkreis um sie herum stehende Musiker erzeugen auf Midi-Pads die Klickerbeats dazu. Viel wird von Festplatte eingespielt – Samples, Keyboards, auch Gesangsspuren. Was nicht weiter stört, denn bei FKA Twigs geht es vor allem um die Präsentation einer hochartifiziellen Pop-Figur, deren Anziehungskraft durch das ständige Wechselspiel mit Zeichen von Stärke und Schwäche, Dominanz und Unterwerfung entsteht. Exemplarisch vorgeführt im Kontrast zwischen den finster grollenden Bassspuren und ihrem ätherischen Gesang, der live kraftvoller klingt als auf den Platten.

Kühl und kontrolliert – fast wie eine moderne Version von Grace Jones – absolviert die stets ernst dreinschauende und in transparente schwarze Netzstoffe gehüllte FKA Twigs ihren Auftritt. Die Bewegungen der einstigen Tänzerin, die mit Kylie Minogue und Jessie J zusammengearbeitet hat, sind komplett durchchoreografiert. Einzelne Akzente und Rhythmussegmete ihrer Songs spiegelt sie mit anmutigen Armbewegungen, lasziven Hüftschwüngen und breiten Kniebeugen, was Spontan-Jubel im Publikum auslöst. In Tanzbewegung versetzt FKA Twigs die Menge aber erst spät mit ihrem zugänglichsten, weil geradlinigsten Song „Two Weeks“. Durch die pulsenden Synthesizer kommt hier sogar ein bisschen Wärme auf. Sie hilft, den Temperatursturz zu ertragen, der derweil draußen stattgefunden hat.

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