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Daniel Barenboim in der Berliner Staatsoper

© AFP/Odd Andersen

Griechenland an der Berliner Staatsoper: Hellas finden

Bekenntnis zu Europa: Daniel Barenboim will durch Kultur Verantwortung übernehmen und widmet Griechenland in der kommenden Saison einen Schwerpunkt.

Bei der Pressekonferenz, in der Daniel Barenboim und sein neuer Staatsopernintendant Matthias Schulz das Programm der kommenden Saison vorstellten, wurde der Maestro zum politischen Mahner. Doch nicht der Konflikt im Nahen Osten war sein Thema, sondern überraschenderweise Europa. Die aktuelle Krise der Staatengemeinschaft, sagte Barenboim, sei nur durch eine Rückbesinnung auf die gemeinsamen kulturellen Werte zu überwinden. „In keinem anderen Teil der Welt existiert eine ähnliche, über Jahrhunderte gewachsene Konzentration von Musik, Literatur und bildender Kunst auf so engem Raum und über so viele nationale Grenzen hinweg.“

Dann kam er auf Griechenland zu sprechen, die Urzelle dieses geistigen Europa. Im antiken Hellas wurde nicht nur die Demokratie erfunden, sondern auch das Theater. Und weil die Griechen seit Jahren unter einer von Finanzministern gelenkten EU zu leiden haben, hat sich Barenboim entschlossen, ihrem Land in der Spielzeit 2018/19 einen thematischen Schwerpunkt zu widmen: „In dieser Zeit haben wir die Verantwortung, etwas zurückzugeben. Und als Künstler können wir das nur durch die Kultur tun.“

Würdigung des griechischen Komponisten Nikos Skalkotta

Drei Opern, die ihre Themen aus der griechischen Antike entliehen haben, werden Unter den Linden gezeigt, Richard Strauss’ „Elektra“ sowie eine Neuinszenierung von Luigi Cherubinis „Medea“ durch die Regisseurin Andrea Breth dirigiert Barenboim selbst, die Leitung der Sasha-Waltz-Produktion von Claudio Monteverdis „L’Orfeo“ hat er in die Hände von Leonardo Garcia Alarcon gelegt.

Vor allem aber macht sich der Maestro zum Anwalt des griechischen Komponisten Nikos Skalkottas. Als Violinstudent war er 1921 aus Athen nach Berlin gekommen, wo er sich bald dem Komponieren zuwandte. Zunächst lernte er von Kurt Weill und Philipp Jarnach, ab 1927 gehörte er dann der Meisterklasse von Arnold Schönberg an. In Berlin entstanden Skalkottas’ wichtigste Kompositionen: eine Violinsonate, eine Klaviersonatine, das erste Klavierkonzert sowie ein Oktett.

Nach 1933 mochte der junge Avantgardist nicht länger in Deutschland leben und ging zurück in seine Heimat. Dort wurde er allerdings nicht mit offenen Armen empfangen. Von seinen Komponistenkollegen schlug ihm Neid und Missgunst entgegen, das Publikum reagierte mit Unverständnis auf die wenigen Aufführungen seiner Werke. Skalkottas sah sich gezwungen, seinen Lebensunterhalt als Geiger zu verdienen. Als er 1949 vereinsamt in Athen starb, erst 44 Jahre alt, fand man in seiner Wohnung Dutzende unveröffentlichte Werke.

Griechischer Abend bereits im Oktober

Barenboim kam bereits 1954 mit der Musik von Skalkottas in Berührung, als der damals 11-jährige Wunderknabe in Salzburg einen Dirigierkurs beim berühmten Igor Markevitch belegte. Skalkottas „Kleine Suite“ von 1942 durfte er damals mit den Musikern einstudieren, und diese sehr expressive Musik, die klanglich eine Nähe zu Bela Bartok hat, wird er auch jetzt mit seiner Staatskapelle spielen, bei einem Abokonzert im Mai 2019.

Einen ganzen Abend widmet er bereits im Oktober griechischen Themen. Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre und Ravels „Daphnis et Chloe“-Suite stellt er Skalkottas’ Sinfonie „Die Heimkehr des Odysseus“ zur Seite. Und gleich in der Woche darauf präsentiert er mit dem Boulez Ensemble im Boulez Saal dessen Oktett für je vier Streicher und Bläser, das ebenso von Modetänzen geprägt ist wie von der Zwölftontechnik seines Lehrers. Da hört man stilistische Anklänge an Kurt Weill und Alban Berg, vor allem aber den frechen Ton der zwanziger Jahre. An dem Abend erklingen außerdem Hosokawas „Medea Fragments“, Widmans „Insel der Sirenen“, „Syrinx“ sowie „Danseuses de Delphes“ von Debussy.

Im Laufe der Saison sind noch in fünf weiteren Konzerten des Pierre Boulez Saals Werke von Skalkotta zu hören. Der Klaviermusik widmen sich Karim Said sowie Yulianna Avdeeva, Violinwerke werden von Jiyoon Lee sowie Leonidas Kavakos interpretiert.

Weitere Infos unter www.staatsoper-berlin.de sowie www.boulezsaal.de

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