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Kultur: Hirschfeld-Mack-Retrospektive: Bauhäusler und Visionär

Eine Panne stand Pate für die "Farbenlichtspiele": Beim "Laternenfest" des Weimarer Bauhauses 1922 klappten die Schattenspiele nicht. Das brachte den Künstler auf die Idee, mit der unterschiedlichen Färbung der Lichter und der Schatten zu experimentieren.

Eine Panne stand Pate für die "Farbenlichtspiele": Beim "Laternenfest" des Weimarer Bauhauses 1922 klappten die Schattenspiele nicht. Das brachte den Künstler auf die Idee, mit der unterschiedlichen Färbung der Lichter und der Schatten zu experimentieren. Damit wurde Ludwig Hirschfeld-Mack zum Pionier und Visionär der Lichtkunst. Heute indes ist er nur noch Kennern geläufig. Denn der 1893 geborene Jude emigrierte 1936 nach London und wurde 1940 als "feindlicher Ausländer" nach Australien deportiert, wo er 1965 starb. Nun veranstaltet das Jüdische Museum in seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main die erste Retrospektive seines komplexen Werkes.

Die Schau setzt mit Grafiken um die Zeit des Ersten Weltkrieges ein, die noch gegenständliche, relativ traditionelle Motive zeigen. Die haben durchaus Hintersinn, beispielsweise in der "Schützengraben"-Radierung das Holzkreuz als Mahnmal.

Sein Formenrepertoire wandelte sich zum Organischen, als er im Herbst 1919 vom Stuttgarter Lehrer Adolf Hölzel ans Weimarer Bauhaus wechselte. Hirschfeld-Mack war, wie viele seiner Zeit, dem romantischen Denken verpflichtet und sah die Kunst als Mittel zur Weltverbesserung. Für ihn waltete eine kosmische Harmonie zwischen Individuum und Gesellschaft; das berühmte "Sterntänzer"-Bild (1922) steht gar für die Vision eines neuen Menschen. So war er nicht nur von Hölzels Farbenlehre geprägt, sondern kannte auch die mystischen Seher-Ideen von Klee und Itten. Ähnlich eng war die Zusammenarbeit mit Kandinsky, etwa im "Farbenseminar" 1922/23. Während dieser Zeit entwickelte er seine "Farbenlichtspiele": In einem quadratischen Kasten hängte er in die Rückfront verschiedenfarbige, bewegliche Projektionslampen, auf die Vorderseite wurden verschiebbare Negativschablonen von Kreis, Dreieck und Quadrat gesteckt. Wurde der Kasten beleuchtet, sah man auf der Leinwand die farbigen Schatten dieser Schablonen, die sich durch Bewegung änderten und von eigens komponierter Musik begleitet wurden. Dieses einfache, aber faszinierende Spiel mit Licht, Farbe, Schatten und Tönen ist dank des nachgebauten Lichtkastens nun wieder in fünf Filmen zu verfolgen.

Mit den "Farbenlichtspielen" bewegte sich Hirschfeld-Mack zwischen Malerei und Film und wurde zum Vorläufer der kinetischen Kunst. Duchamp hatte mit spiralförmigen Scheiben etwas früher experimentiert, Moholy-Nagy baute um 1930 eine kinetische Licht-Maschine. Hirschfeld-Mack schlug nicht diesen Weg ein. Er interessierte sich stärker für den Metaphysiker Kandinsky und brachte selbst bei Figurendarstellungen eine spirituelle Note ein. Nach der Schließung und Verlagerung des Bauhauses nach Dessau 1925 war er an verschiedenen Orten als Kunstlehrer tätig, auch in Berlin. In der Emigration verfeinerte er seine "Farbenlichtspiele". In Australien trat das eigene, von der Landschaft beeinflusste Werk zurück zugunsten des Kunstunterrichts, der auf das ganzheitliche Denken zielte. Die Schau ist eine längst überfällige Wiederentdeckung, der ein dauerhafter Platz in einem Museum zu wünschen wäre.

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