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Die auf dem Dach des Schlosses entstandenen Räume des Priesterseminars. Sie greifen die Idee des Kreuzgangs auf.

© Stefan Müller/Courtesy of Bruno Fioretti Marquez

Hochdotierte Auszeichnung: Berliner Architekten BFM erhalten Deutschen Architekturpreis

Die Berliner Architekten Bruno Fioretti Marquez haben Schloss Wittenberg saniert. Dafür erhalten sie nun den Deutschen Architekturpreis.

Das Foto auf der Einladung zur Preisverleihung irritiert: Der Innenhof des Schlosses Wittenberg ist zu sehen, mit Arkaden und festen Mauern. Der Deutsche Architekturpreis für ein Renaissanceschloss?

Wer das Bild genauer mustert, entdeckt auf dem Dach flache Attikamauern aus Beton und ahnt: Als preiswürdig erachtete die Jury unter dem Vorsitz von Arno Lederer ein Sanierungsprojekt.

Der Dialog zwischen historischen Bauformen und zeitgenössischer Formensprache sowie zwischen alten und modernen Materialien kann sehr reizvoll sein. Eine solche Aufgabe hatten die Berliner Architekten Bruno Fioretti Marquez BFM in Lutherstadt Wittenberg vor sich.

Dort hatten die Zeitläufte dem kurfürstlichen Schloss arg mitgespielt. Vom Renaissance-Geviert steht nur noch die Hälfte, und auch die nur als Umfassungsmauern, denn 1760 und 1814 brannte es vollständig aus. Der Umnutzung ab 1819 zur Festung und Kaserne fielen auch noch die Stockwerksteilungen zum Opfer.

Zu DDR-Zeiten diente das Schloss als Stadtarchiv, Sammlungsdepot, Gaststätte, Wohnungen, Naturkundemuseum und Jugendherberge, erlitt chaotische, dürftige Ein- und Umbauten und machte mit seinem schrundigen Verputz einen erbarmungswürdigen Eindruck.

Unterschiedliche Signaturen bleiben lesbar

2009 beschlossen Stadt, Land und Kirche, in dem Gebäude das Predigerseminar, die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek und im Erdgeschoss das Servicezentrum der Schlosskirche einzurichten.

Die nach Abbruch der schäbigen Einbauten des 20. Jahrhunderts herauspräparierte historische Bausubstanz behandelten die Architekten als Palimpsest, wie ein altes Pergament, auf dem unterschiedliche Signaturen zu lesen sind.

Sie reagierten darauf mit asketischer Disziplin des Materialeinsatzes - Beton, Glas, Putz, Eichenholz, hier und da Bronze. Die beiden inneren Treppenhäuser entstanden als komplette Neubauten. Die unregelmäßigen Sichtbeton-Läufe und Anschlussbrücken sind den komplizierten Höhenversprüngen geschuldet und sind ein Architekturerlebnis für sich.

Atmosphärische Dichte

Die Gewölbe der Reformationsgeschichtliche Bibliothek und die eigens gefertigten Eichenmöbel mit gefühlt vielen Jahrhunderten Lebenserwartung bilden ein angemessenes Ambiente für die traditionsreiche Büchersammlung mit ihren Ehrfurcht gebietenden Folianten.

Oben auf dem Dach dann ein ganz anderes, überraschendes Bild. Entlang eines breiten Flurs sind die Räume des Predigerseminars hinter den Attikamauern in Penthausmanier aufgereiht, wechselweise von Atrien unterbrochen, von denen aus man einen Blick in die Landschaft oder den Schlosshof hat.

Die Seminaristen profitieren von der atmosphärischen Dichte der Architektur, der sensibel abgestimmten Farbpalette und der durchdachten, nutzungsorientierten Raumkonzeption und Detaillierung. Doch das gilt für alle öffentlichen Geschosse des mit einem knappen Budget von 18 Millionen Euro ausgebauten und nun wieder angemessen genutzten Schlosses.

Als am Donnerstag in der Staatsbibliothek zu Berlin der mit 30000 Euro dotierte Staatspreis an BFM verliehen wurde, waren aus Berlin auch Brandlhuber+ Emde, Burlon / Muck Petzet Architekten für ein Terrassenhaus und Staab Architekten für das Restaurierungszentrum in Potsdam mit Auszeichnungen sowie gmp für den Kulturpalast, ifau / Heide & von Beckerath für das integrative Bauprojekt in Kreuzberg und David Chipperfield Architects für die James-Simon-Galerie mit Anerkennungen dabei.

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