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„Delphine et Carole, insoumuses“ zeigt Seyrig neben Carole Roussopoulos.

© Archives Centre audiovisuel Simone de Beauvoir

Hommage an Delphine Seyrig im Berlinale-Forum: Nicht mehr nur schön sein und den Mund halten

Frauen im Filmgeschäft: Die Schauspielerin und Filmemacherin Delphine Seyrig fragte schon 1976 danach. Eine Hommage im Forum.

Ob das wohl stimmt? Dass die junge Schweizer Feministin Carole Roussopoulos nach Jean-Luc Godard 1969 die zweite erhältliche Videokamera auf dem französischen Markt kaufte und mit ihr die lesbische Frauen-Videogruppe Video Out gründete. Auf jeden Fall hat diese in „Delphine et Carole, insoumuses“ erzählte Anekdote ihre höchst amüsante eigene Wahrheit. Und die ist so überzeugend wie der ganze Film, der noch mehr aus der Geschichte von Carole und ihrer „Komplizin“ Delphine erzählt. Dabei war die Schauspielerin Delphine Seyrig nicht nur in Frankreich eine Legende und hat in schillernden Rollen bei Alain Resnais, Jaques Demy, François Truffaut oder Joseph Losey brilliert. Später dann auch bei Regisseurinnen wie Marguerite Duras oder Ulrike Ottinger, legendär ihre Hauptrolle in Chantal Akermans wegweisendem „Jeanne Dielman, 23, quai du commerce“.

Weniger bekannt ist, dass Seyrig auch selbst Filme gedreht hat, nachdem sie einen Workshop von Carole besucht hatte. Schon bald arbeiteten beide in einer Gruppe feministischer Videoaktivistinnen, die das neue Medium für ihre subversiven und oft witzigen Aktionen nutzten. „Delphine et Carole, insoumuses“ porträtiert die beiden 1990 und 2009 verstorbenen „ungehorsamen Musen“ und ihre Freundschaft mit erhellend montierten Originaldokumenten aus Spielfilmen, Videoarbeiten und Talkrunden. Dazu kommen Ausschnitte aus einem Interview, das Roussopoulos selbst in Vorbereitung eines geplanten Filmporträt Seyrigs gegeben hat.

Brisante Aktualität

Dass Regisseurin Callisto McNulty selbst eine Enkelin von Carole ist, erklärt den Respekt, den sie diesen Vorarbeiten und Plänen ihrer Großmutter entgegenbringt. Im Film selbst spielt die Verbindung erfreulicherweise keine Rolle. Brisant dafür die Aktualität, die Seyrigs Arbeit heute für die Debatten um Regiequoten und das Hierarchiegefälle im Filmgeschäft und entsprechende Übergriffe mitbringt. Denn die Schauspielerin hatte sich schon Mitte der Siebziger mit den Arbeitsbedingungen von Frauen und der Bedeutung von Genderstereotypen im Film beschäftigt.

So ist Seyrigs größte eigene Regiearbeit mit dem Titel „Sois belle et tais-toi!“ (etwa: „Sei schön und halt den Mund!“) aus dem Jahr 1976 eine ausführliche Recherche zu diesen Themen. Sie führt Interviews mit zwei Dutzend Schauspielerinnen in Europa und Hollywood. Darunter Juliet Berto, Maria Schneider, Shirley MacLaine und Jane Fonda, die erzählt, wie ihr Studioboss Jack Warner zu Anfang ihrer Karriere das Kinn zertrümmern wollte, um die Wangen für die Kamera schön eingefallen erscheinen zu lassen.

Delphine Seyrig sagte, ihr Film sei auch „eine Art Revanche ihrem Beruf gegenüber“, von dem sie sich erhoffe, auch etwas am Verhältnis zwischen den Zuschauerinnen und den Schauspielerinnen im Kino zu ändern. Nächsten Samstag ist „Sois belle et tais-toi!“ nach einem Programm mit zwei kürzeren Arbeiten von Delphine und Carole zu sehen.

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