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Mensch, Tier, Maschine. In Errós Bildern findet alles zueinander.

© picture alliance / dpa / Arne Dedert

Zum 90. Geburtstag des Comic-Künstler Erró: Hulk, Marilyn und Spiderman geben sich auf seinen Gemälden ein Stelldichein

Meister des Wimmelbilds: Erró integriert alles in seine Bilder, selbst Picasso und Fernand Léger. Übel nimmt es ihm keiner.

Wenn Erró Briefe in sein Atelier geschickt bekommt, enthalten sie fast immer Schnipsel aus Comics und Magazinen. Ausgewählt von wildfremden Menschen, erzählte der isländische Künstler vor einiger Zeit in einem Interview. Doch alle diese Absender sind mit Errós bildgewaltigen Imperium vertraut – und ihre Fundstücke sollen es noch um ein paar Motive bereichern.

Dabei kann sich Erró, der eigentlich Gudmundur Gudmundson heißt und heute seinen 90. Geburtstag feiert, über mangelnde Ideen auch ohne die externen Unterstützer nicht beklagen. Sämtliche Schubladen in seinem Pariser Studio sind voller Material, und auf den collagenhaften Gemälden scheint kaum mehr Platz für auch nur eine weitere Figur.

Von allen Seiten strömen sie auf den Betrachter zu, werfen sich ihm entgegen, quellen aus dem Chaos der Superformen: Hulk, Marilyn Monroe, Spiderman, das Raumschiff Enterprise, Wonder Woman.

Mit solch einem Repertoire landet man für gewöhnlich in den populären Genres. Erró aber hat es damit zu internationalem Ruhm gebracht, seine Arbeiten hängen ebenso in der Frankfurter Schirn Kunsthalle wie im Centre Pompidou in Paris oder der Blue-Chip-Galerie Perrotin, die ihn regelmäßig in ihren New Yorker Räumen ausstellt.

Dabei macht der Maler nicht einmal vor Kollegen halt und integriert in die teils monumentalen Wimmelbilder Figuren, die ebenso von Picasso oder Fernand Léger stammen könnten.

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Erró verzeiht man allerdings selbst dieses Plagiat. Allein schon, weil seine Kunst eine einzige Anhäufung von Zitaten aus dem globalen Bilderfundus darstellt. Es hat System, ist das beherrschende Charakteristikum – und macht anschaulich, wie sich die meisten Menschen inmitten der täglichen Flut von Eindrücken fühlen.

Bevor Erró 1952 an die Kunstakademie in Reykjavík und anschließend nach Oslo ging, lebte er auf einem isländischen Bauernhof. Man kann sich vorstellen, wie extrem der Wechsel war. Wie Comics und Konsum als wilder Strudel über den im ländlichen Idyll aufgewachsenen Studenten einbrachen. Im Grunde vollzieht er diesen Moment bis heute immer wieder nach, seine Sujets sind ein einziges Agglomerat aus Eindrücken.

Seine figurativen Panoramen üben Kritik an der Politik

Später befasste sich Erró in Florenz mit Mosaiken, 1958 zog er nach Paris und beteiligte sich zwei Jahre später an der Ausstellung „L’Anti-Procès“, die sich als Manifest gegen den Algerienkrieg verstand. Auch das gehört in sein Weltbild: Im Unterschied zu vielen Vertretern der Pop-Art, der Errós zugerechnet wird, verstehen sich seine figurativen Panoramen auch als Kritik an politischen wie sozialen Situationen.

So versetzte er 1967 auf dem Gemälde „American Interior No. 6“, das sich in der Sammlung des Kölner Museum Ludwig befindet, Ho Chi Minh in das Schlafzimmer einer amerikanischen Familie und legte so die Furcht vor dem Einmarsch Nordvietnams in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bloß.

Errós Werk lässt sich von allen Zeiten befeuern

Solche Kontraste befeuern Errós Werk durch alle Zeiten. „Die Politik erweitert die Möglichkeit der Malerei. Die einzige permanente Revolution – der ständige Wandel – schreitet fort“, schrieb er 1970. Das gilt bis heute.

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