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Kultur: Ich glaub’, ich bin im Wald

Im Kino: die Doku „Das grüne Wunder“.

Knorrige Eichen, Tannenduft, über dem modrig weichen Altlaubboden sprießt zart frisches Grün. Zwischen Unterholz und Tümpel wuselt die Fauna, die von der Ameise bis zum Wolf bekanntlich auch deutsches Lied- und Märchengut bewohnt. Der Wald gilt als deutscher Mythos schlechthin, wird von Filmemachern wie Christian Petzold, Hans Weingartner oder Hans-Christian Schmid derzeit auch gern mit Kinohelden bevölkert.

Da ist es nur folgerichtig, dass ihn nun auch ein deutscher Naturfilm würdigt. Dabei setzt „Das grüne Wunder – Unser Wald“ ganz ohne tümelnde Akzente auf den ersten Teil des Titels und beginnt im Kleinklein taumelnder Fichtenzapfensamen und Schneeglöckchen, bevor man sich kameratechnisch höchstaufgerüstet durch den Jahreszeitenzyklus arbeitet, begleitet von einer angenehm zurückhaltend instrumentierten Tonspur.

1996 setzte „Mikrokosmos“ mit faszinierenden Einblicken in die Insekten-Lebenswelten einer Wiese technisch neue Standards. „Das grüne Wunder“ knüpft hier an. Mit Makro und Zeitraffer werden kämpfende Hirschkäfer (Stars auch von Ulrich K. T. Schulz‘ „Der Hirschkäfer“, dem ersten deutschen „Kulturfilm“ von 1921) und explodierende Fliegenpilze in Szene gesetzt. Dem für seine detailgenauen TV-Naturdokumentationen preisgekrönten Autor und Regisseur Jan Haft fehlt mit seiner additiven Montage für die große Form jedoch wohl noch Erfahrung und das richtige Gespür. So dürften sich vor allem Kinder an dem familientauglich fotografierten (nur Käfer müssen sterben...) und von Benno Fürmann erzählten Episoden erfreuen.

Für Erwachsene bringt „Das grüne Wunder“ zu viele Selbstverständlichkeiten auf die Leinwand. Erst in den letzten zehn Minuten findet Haft zu einer Position jenseits bloßer Ehrfurcht vor den Wundern der Natur und äußert dezidierte Kritik am Waldmanagement der letzten Jahrhunderte, das den einst offenen Wald mit seinen weidenden Großtierherden in eine lichtschluckende Baumwüste verwandelte. Neuorientierung sei angesagt. Wisente und Elefanten, auf in den Grunewald! Silvia Hallensleben

In 9 Berliner Kinos

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