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Wahrheit tut weh. Hanna (Nike Seitz) und ihre Großmutter (Hannelore Elsner).

© Alpenrepublik

Im Kino: "Hannas schlafende Hunde": Böse alte Zeit

Das Drama „Hannas schlafende Hunde“ mit Hannelore Elsner erzählt von Antisemitismus und Nationalismus in Österreich.

Bis in die 1970er Jahre hinein hat die Mehrheit des österreichischen Volkes behauptet, dass das 1938 „angeschlossene“ Land von den Nationalsozialisten gegen den Willen seiner Bewohner besetzt wurde. Man durfte sich als Opfer fühlen, für eine Aufarbeitung der Geschichte war es zu der Zeit ohnehin arg spät. Und heute ist rechtsnationales Gedankengut schon wieder fast mehrheitsfähig, wie soeben die Bundespräsidentenwahl gezeigt hat.

Vielleicht wegen dieses breiten rechtspopulistischen Konsenses innerhalb des österreichischen Volkes haben Satiriker, Literaten, Filmemacher und Songwriter mehr Grund zu scharfer Kritik als bei uns, wo eine milde Kanzlerin aus der politischen Mitte und ein freundlicher ehemaliger Pfarrer und Stasi-Aufklärer das Land regieren. So unterschiedliche Filmemacher wie Ulrich Seidl („Paradies-Trilogie“, 2012/13), Andreas Prochaska („Das finstere Tal“, 2014) oder Götz Spielmann („Oktober November“, 2013) zeichnen wenig schmeichelhafte Porträts ihrer Landsleute in Gegenwart und Vergangenheit. Dabei geht es ihnen häufig um deren Selbstgerechtigkeit und Abgrenzung gegenüber allem, was auch nur minimal fremd erscheint.

Altnazis, bigotte Christen und Säufer

„Hannas schlafende Hunde“ richtet den kritischen Blick auf die 1960er Jahre: In Linz tun zwei jüdische Schwestern alles, um ihre Herkunft zu verbergen: Als Überlebende des Nationalsozialismus haben sie katholische Männer geheiratet, ihre Mutter hatte die Mädchen und sich selbst retten können, weil ihr Mann bei den Nazis Ansehen genoss. Nun aber verstehen die um 1960 geborenen Geschwister Michael und Johanna nicht, warum sie an einem Gesangswettbewerb der Katholischen Jugend nicht teilnehmen sollen, warum die Religionslehrerin sie schikaniert und manche Kinder nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Auf Fragen gibt es keine Antworten, zu manchen Leuten darf man nicht freundlich sein, und die blinde Großmutter sagt manchmal unangenehme Sachen, die niemand hören will.

Andreas Gruber („Hasenjagd“, 1995) hat mit blassen Farben, Nebel und diffusem Licht einen Bilderbogen des Kleinstadtlebens inszeniert, in dem es von Altnazis, bigotten Christen, Belästigern und Säufern nur so wimmelt und in dem innerfamiliäre Gewalt, Pädophilie und sexuelle Erpressung an der Tagesordnung sind. Das ist ein bisschen viel, wenn man bedenkt, dass die eigentlich erzählte Geschichte der etwa neunjährigen Johanna (Nike Seitz), die ihr Jüdischsein entdeckt und langsam verstehen lernt, ernst genug ist. Ihre Großmutter – erfreulich zurückhaltend gespielt von Hannelore Elsner – ist es, die dem verunsicherten Kind Halt und Identität gibt und Tochter und Schwiegersohn zwingt, nicht mehr mit Lügen zu leben. Dadurch führt sie eine Art Befreiung und Befriedung der Familie mit ihrem Umfeld herbei. Die Masse von Monstern, die im Film aufmarschiert, passt allerdings nicht zu dessen fast versöhnlichem Schluss.
In den Kinos: Blauer Stern Pankow, Kulturbrauerei, Eva und Cinema am Walther-Schreiber–Platz

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