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Kultur: Im Quadrat

Der Aedes-Galeristin Kristin Feireiss zum 70.

Es mag früher schon Architekturgalerien gegeben haben. Doch ins Bewusstsein drang diese eine: Aedes. 1980 gegründet, schwamm sie auf der Welle des Interesses für die Postmoderne im weitesten Sinne, die damals in West-Berlin vor Anker ging. Architekturzeichnungen, so dachten Kristin Feireiss und ihre anfängliche, 1985 tragisch verstorbene Partnerin, müssten sich als Objekte eigenen Werts verkaufen lassen. Ein Irrglaube. Aedes, in einem Charlottenburger Altbauladen gestartet, wurde stattdessen zum erfolgreichsten nicht kommerziellen Unternehmen im Ausstellungsbetrieb.

Denn Kristin Feireiss, 1942 in Berlin geboren, hat die sagenhafte Fähigkeit, Menschen zu begeistern, sowohl die Architekten, die alle, alle bei ihr ausstellen wollten, als auch die Sponsoren aus der Baubranche, die den Betrieb finanzierten. So ist es im Nachspann der zum Markenzeichen gewordenen quadratischen Kataloge jeweils nachzulesen. Der Betrieb wuchs, 1985 zog Aedes unter die S-Bahn-Bögen am Savignyplatz, 1995 eröffnete eine Dependance in den Hackeschen Höfen. Aedes begann, am eigenen Erfolg zu leiden. Denn die Architekturszene ging hin, um gesehen zu werden, die Ausstellungen boten nur die Bühne.

Währenddessen war Feireiss für fünf Jahre als Direktorin des neu gegründeten Niederländischen Architekturinstituts in Rotterdam tätig, von 1996 bis 2001, wo sie ihrer Leidenschaft, der Untersuchung urbaner Fragen, in einer Reihe bemerkenswerter Ausstellungen frönen konnte. Das war ein Intermezzo.

Mit der Zeit verlor das Aedes-Programm seine ursprüngliche Neuartigkeit, es gab auch recht beliebige Ausstellungen und solche von begrenztem Tiefgang. Das ist nicht erstaunlich. Erstaunlich ist, wie das kleine Team – neben Kristin Feireiss zuallererst ihr Lebensgefährte Hans-Jürgen Commerell – immer wieder einfallsreiche Inszenierungen des einander ähnelnden Materials zustande brachte. Am liebsten zeigt Aedes Pläne und Projekte, noch unbefleckt von den Zumutungen der Alltagswirklichkeit. Der Umzug an den Pfefferberg hat die Galerie nicht wie erhofft beflügelt, und nach den Hackeschen Höfen wurde sogar der legendäre Standort Savignyplatz aufgegeben. Nochmals Aufbruch, als Feireiss den Aedes Network Campus Berlin gründete: eine Frucht ihres weltweiten Netzwerks.

Kurz vor ihrem 70. Geburtstag, den sie heute am toskanischen Feriensitz nahe Volterra begeht, überraschte Feireiss mit ihrer Lebensgeschichte: Sie ist als Waise bei ihrem Onkel Josef Neckermann aufgewachsen. Und ging ihren eigenen Weg, der mit Blick auf ihr frühes Schicksal noch eindrucksvoller wird. Alle werden gratulieren, vor allem die, die unbekannt bei ihr ausstellten und heute Stars sind. Ganz wie Kristin Feireiss selbst. Bernhard Schulz

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