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Die Obamas: Im Weißen Haus

Jodi Kantor beschreibt Barack und Michelle Obama als Idealisten, die trotz seiner Präsidentschaft eine normale Familie bleiben wollen.

Von Patricia Wolf

Es war einmal ein Präsidentenpaar, das eine gemeinsame Mission einte. „Abends, wenn die Touristen das Weiße Haus verlassen hatten und die Kinder im Bett lagen, saßen die Obamas in ihren neuen Sesseln auf dem Truman-Balkon, der ihr Lieblingsplatz im Weißen Haus geworden war, und analysierten die Situation.“ Ihre Idee war keine Politik der kleinen Schritte, der erzwungenen Kompromisse, sondern gemeinsam schwebten ihnen die ganz großen Veränderungen vor, und das seit ihrer Jugend.

Den kometenhaften Aufstieg von Barack Obama und die märchenhafte Geschichte einer Familie, die im Weißen Haus residiert, einem modernen Schloss mit 134 Zimmern und 35 Bädern, erzählt Jodi Kantors Biografie „Die Obamas“, die für Furore in den Washingtoner Politzirkeln sorgte. Die Autorin, Korrespondentin der New York Times, schildert freilich nicht nur eine wunderbare Welt. Wie im richtigen Märchen, wo Gut und Böse nebeneinander existieren, ist es auch eine Erzählung über Belastungen und Beschränkungen, Entbehrungen und Enttäuschungen, denen die First Family ausgesetzt war. Glänzend informiert beschreibt sie, wie schwer sich die Obamas anfangs mit ihrer neuen Umgebung taten, wie unendlich kompliziert das Leben im Weißen Haus war, das ja Privatwohnung, Büro und Museum in einem ist.

Beide Ehepartner hatten, so die Autorin, enorme Schwierigkeiten, als sie nach harten Wahlkampfjahren beim Amtsantritt von Barack Obama plötzlich mit der harten Realität des Washingtoner Politikbetriebs konfrontiert waren. Nach all den Kämpfen wähnten sie sich endlich am Ziel und merkten doch, dass dies erst der Anfang war. Darin offenbarte sich eine gewisse Unerfahrenheit, ja Naivität – die auch daher rühren mag, dass beide nicht, anders als zum Beispiel die Bushs, aus dem politischen Establishment stammen.

Nach Jahren ständiger Abwesenheit von der Familie waren sie endlich zusammen. Obama sei einfach glücklich gewesen, seine Frau (die er Flotus nennt, ein Akronym von First Lady of the United States) und die Töchter Malia und Sasha endlich um sich zu haben, schreibt Jodi Kantor. Nun konnten sie gemeinsam zu Abend essen oder ein Basketballspiel besuchen. Doch die Einschränkungen, denen sie unterlagen, etwa niemals unbeobachtet zu sein, nie spontan ausgehen zu können, habe das Präsidentenpaar als enorme Belastung empfunden, für die Ehe und das Familienleben. Vor allem Michelle Obama habe wie eine Bärenmutter um ein halbwegs normales Leben für ihre Töchter gekämpft. Aber was ist schon normal, wenn selbst der morgendliche Schulweg vom Geheimdienst überwacht wird und ein Tennisspiel ein schwieriges logistisches Unterfangen ist?

Die unermüdlich kämpfende Michelle Obama, die heimliche Herrscherin im Weißen Haus, steht im Mittelpunkt von Kantors Interesse. In ihr sieht sie die treibende Kraft, den Motor, der ihn immer wieder antreibt – und die Person, der Barack als einzigem Menschen wirklich vertraut. Immer wieder soll sie den Präsidenten und seinen Mitarbeiterstab kritisiert haben: Sie dürften sich nicht durch feige Absprachen und unwürdige Mauscheleien kompromittieren lassen, sondern sollten hartnäckiger und gradliniger ihre Ziele verfolgen. Michelle Obama habe es zu verantworten, dass Rahm Emanuel, Obamas erster Stabschef, Anfang 2011 den Stab hinwarf und den Dienst quittierte. Sein Nachfolger, William Daley, gab nur ein Jahr nach seiner Ernennung ebenfalls auf. Auch Nancy Reagan hatte zu ihrer Zeit aktiv die Absetzung von Mitarbeitern betrieben.

Zugleich leiden die Obamas laut Kantor unter der Kritik, sie würden zu teure Urlaubsreisen unternehmen, Michelle würde zu viel Geld für luxuriöse Kleidung ausgeben, ihre Partys wären zu extravagant. Ihnen sei bewusst, dass sie sich als erstes schwarzes Präsidentenpaar keine Fehler erlauben könnten.

Einen Tiefpunkt der Stimmung des Präsidentenpaares, aber auch des gesamten Mitarbeiterstabs, verortet die Autorin vor ziemlich genau zwei Jahren. Ein wichtiger Senatssitz, ausgerechnet der von Ted Kennedy, war an die Republikaner verloren gegangen. Eine bittere Niederlage für die Demokraten, denn es handelte sich um die entscheidende Stimme, mit der kurz darauf die Gesundheitsreform durchgesetzt werden sollte – das wichtigste Anliegen des Präsidenten Obama.

Die Reform gelang dann überraschenderweise doch. Dem Präsidenten, schreibt Kantor, gelang das, was keiner zuvor geschafft hatte: eine riesige Lücke im sozialen System Amerikas zu schließen. Die Autorin zollt ihm dafür große Anerkennung, wie sie dem First Couple überhaupt viel Sympathie entgegenbringt. Sie zeichnet das Bild eines von einer Idee besessenen, enthusiastischen und grenzenlos optimistischen Weltverbesserers und seiner klugen, starken Gefährtin, die stets darauf bedacht ist, dass er sich nicht zu sehr vom Politbetrieb korrumpieren und vom Idealismus abbringen lässt. Dafür, so Kantor, musste Michelle einige Opfer bringen. Sie war gezwungen, ihre eigene viel versprechende Karriere aufzugeben, um ihr Schaffen in den Dienst ihres Mannes zu stellen. Des Mannes wohlgemerkt, der einst als Praktikant in die Kanzlei gekommen war, in der sie nach ihrem Abschluss arbeitete und um den sie sich als Mentorin kümmern sollte – so hatten sie sich kennengelernt.

Anfangs habe Michelle Schwierigkeiten mit der traditionelle Rolle der First Lady gehabt, damit, sich darauf reduzieren zu lassen, an Veranstaltungen teilzunehmen. Sie erwarte, ja verlange Einfluss. Andererseits habe sie sich zu Herzen genommen, dass Hillary Clinton damals vorgeworfen worden war, sich zu sehr in die Politik ihres Mannes einzumischen, ohne dafür ein Mandat zu haben. So liegt nun ihre wichtigste Aufgabe darin, seismografisch zu erfassen, was das Volk draußen denkt. Denn in seinem abgeschiedenen Zirkel hat Barack kaum mehr Kontakt zu den Menschen auf der Straße – und auf seine Berater allein will er sich nicht immer verlassen.

Jodi Kantor: Die Obamas. Ein öffentliches Leben. Droemer Verlag, München 2012. 415 Seiten, 19,90 Euro.

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