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Schwingende Luftsäule: Blasinstrumente sind keine Virenschleudern. 

© Thilo Rückeis

Infektionsrisiko Konzert: Sänger sind gefährlich, Bläser nicht

Streicher 1,5 Meter und Bläser 2 Meter Abstand, Chorproben mit Mundschutz: Welche Corona-Vorsichtsmaßnahmen Mediziner empfehlen.

Wo man singt, da lass dich ruhig nieder? Von wegen! Gerade Chöre können in Corona-Zeiten zu gefährlichen Virenschleudern werden. Denn beim Singen aus voller Kehle werden weiträumig Tröpfchen in der Luft verteilt, genauso wie beim unkontrollierten Husten oder Niesen. 

Von Blasinstrumenten geht dagegen eine deutlich geringere Gefahr aus. Denn die Spielerinnen und Spieler pressen dabei ihren Atem zwar oft mit hohem Druck durch Mundstücke oder Rohrblätter, aber eben auch sehr kontrolliert und fein dosiert, erklärt Stefan Willich, Direktor des Instituts für Sozialmedizin an der Charité.

„Der Ton entsteht durch die Lippenspannung. Sie versetzt die Luftsäule im Innern des Instruments in Schwingungen, aus dem Schalltrichter kommen darum vor allem akustische Wellen heraus und kaum Atemwind.“ 

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Mithilfe einer Trompete eine Kerze auszublasen, sei deshalb kaum möglich. Außerdem, fügt Willich hinzu, setzen sich Viren gerne an Oberflächen ab: „Und davon gibt es in den oft meterlangen, gebogenen Rohren der Blechbläser jede Menge.“

Auf Initiative der sieben großen Berliner Sinfonieorchester hat Stefan Willich untersucht, wie weit Musikerinnen und Musiker voneinander entfernt sitzen sollten, um ein Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus zu minimieren.

Gemeinsam mit drei weiteren Charité-Wissenschaftlerinnen kam er zu der Einsicht, dass der Stuhlabstand zwischen den Streichern jeweils 1,5 Meter betragen sollte und der zwischen den Bläsern zwei Meter. Blechbläser könnten zusätzlich durch Plexiglaswände von den anderen Instrumentengruppen getrennt werden.

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Beim Europakonzert der Berliner Philharmoniker hatten die Bläser des Orchesters auf Empfehlung des Gesundheitsamts noch einen Sicherheitsabstand von fünf Metern zueinander eingehalten. 

Dass allerdings auch bei den neuen Distanz-Vorschlägen die üblichen Besetzungsgrößen für spätromantische Werke nicht auf den Bühnen unterzubringen sind, findet Stefan Willich nicht problematisch. 

„Man kann ruhig einmal ausprobieren, ob eine spannende Interpretation von Richard Strauss’ „Heldenleben“ nicht auch mit der Hälfte der gewohnten Mitspielerzahl möglich ist“, schlägt der Wissenschaftler vor, der auch als Dirigent des World Doctors Orchestra aktiv ist. „So eine Beschränkung ist nicht zwingend schlechter, sondern nur anders. Wirklich brutal ist es für die Künstler, gar nicht auftreten zu können.“

Für das Wiederanlaufen des Spielbetriebs sieht der klassikaffine Mediziner also keine unüberwindbaren Hürden. „Ein großer Vorteil von Orchestern ist zudem, dass die Mitglieder nebeneinander sitzen und nicht gegenüber.“ 

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Das trifft zwar auch auf Chöre zu, doch hier gibt es eben das Problem der intensiven Luftbewegung. Jeder infizierte Sänger wird dabei zur Virenschleuder, dessen krank machende Aerosole die Umstehenden beim Einatmen kraftvoll einsaugen.

Darum empfiehlt der Charité-Professor Laien- wie Profichören, zunächst mit Mundschutz zu proben, wenn praktikabel. „Das ist sicher ungewohnt, dämpft den Klang aber nur minimal und macht die Ensembles wieder singfähig“, sagt Willich. Sicherheitshalber sollten die Singenden aber zusätzlich noch Abstände von zwei bis drei Metern einhalten.

Was die Platzkapazitäten der allermeisten Probenräume sprengen dürfte. Umso interessanter sind Projekte wie die „Digitale Bühne“: Über die neue Onlineplattform sollen sich im Internet Proben veranstalten lassen, bei denen die lästige Zeitverzögerung nicht auftritt, die man von den handelsüblichen Videokonferenz-Programmen kennt. 

Derzeit läuft die Testphase für das innovative Proben- Tool, das Laien kostenfrei zur Verfügung stehen soll. Unter www.digital-stage.org kann jeder Interessierte mitmachen.

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