
© dpa/Clara Wildberger
Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb beginnt : Krise, Jubiläum, Ende
An diesem Mittwochabend werden in Klagenfurt die 49. Tage der deutschsprachigen Literatur mit einer Rede der deutsch-iranischen Schriftstellerin Nava Ebrahimi eröffnet.
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Es ist natürlich wieder ein Fest für die deutschsprachige Literatur, wenn an diesem Mittwochabend das Ingeborg-Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt eröffnet wird. Drei ganze Tage lang nichts als literarische Texte, Texte, Texte, vierzehn an der Zahl, und, nicht weniger wichtig: die Diskussionen über die Texte, die die Jury im Anschluss an die Lesungen führt.
All das live übertragen von 3sat, leidenschaftlich, begeistert oder hämisch begleitet in den sozialen Medien, kommentiert von der Literaturkritik in den angeschlossenen Funkhäusern und Zeitungsfeuilletons.
Allein die Klagenfurter Rede zur Literatur, die bei der Eröffnung gehalten wird, ist Anlass für eine kritische Betrachtung, dieses Jahr vielleicht mehr noch als sonst: Sie kommt von der 1978 in Teheran geborenen deutsch-iranischen Schriftstellerin Nava Ebrahimi, die 2021 den Wettbewerb gewann. „Drei Tage im Mai“ lautet der Titel dieser Rede. Das deutet darauf hin, dass Ebrahimi sie schon vor längerem geschrieben hat; doch vielleicht hat sie ihre Rede unter dem Eindruck der Ereignisse der vergangenen Wochen aktualisiert.
Zur Folklore des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs gehört allerdings auch, dass er entweder gern mal totgesagt oder seine Bedeutung infrage gestellt wird, nicht zuletzt bei der Literaturkritik. Oder er wenigstens in einer Krise steckt, seit mindestens zwanzig Jahren schon. Bislang hat der Wettbewerb das einigermaßen locker weggesteckt. Dafür spricht allein, dass er dieses Jahr zum 49. Mal stattfindet.
Bürgermeisterempfang fällt aus
In den vergangenen Tagen aber hat eine Meldung für eine gewisse Unruhe gesorgt. Denn die Stadt Klagenfurt, die ja eigentlich sehr stolz auf diesen Wettbewerb ist, trotz Iron Man oder dem Auftritt der Kastelruther Spatzen am Samstag, die Stadt Klagenfurt also hat verkündet, den traditionellen Empfang ihres Bürgermeisters am Donnerstag im Maria Loreto ausfallen zu lassen. Grund dafür sei die angespannte finanzielle Lage der Stadt, wie es vor einer Woche in einer „Aussendung“ des Klagenfurter Senats hieß. Ein Alarmzeichen? Der Anfang vom Ende?
Zur Beruhigung teilte man ebenfalls mit, das kommende Jahr zum Ingeborg-Bachmann-Jubiläumsjahr zu erklären. Denn am 25. Juni 2026 wäre die Schriftstellerin hundert Jahre alt geworden, was wiederum nicht ganz zufällig mit der 50-Jahre-Jubiläumsausgabe des 1977 unter anderen von Marcel Reich-Ranicki mitbegründeten Wettbewerbs fällt.
Ein Jahr hält die Stadt Klagenfurt bei der Mitfinanzierung des Wettlesens also sicher noch durch, und das Ingeborg-Bachmann-Haus in der Henselstraße wird ja dieser Tage (am Freitag!) auch eröffnet, im Beisein von Bachmanns Bruder Heinz. Dann aber war es das, wie auch in den vergangenen Jahren immer wieder geunkt wurde?
Was passiert mit 3sat
Die Frage geistert um den Wörthersee. Zumal 3sat als übertragender Sender unter Spar- und Erfolgsdruck steht. Im Zuge der geplanten Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks wurde 3sat ernsthaft zur Disposition gestellt, da war von einer (allerdings völlig unrealistischen) Fusion mit Arte die Rede, zu der es aus guten Gründen nicht kam. 3sat läuft weiter wie bisher, und doch weiß man nicht, was auf den Sender genau zukommt.
Was das alles für den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb bedeutet? Die Krise als ewige Chance, fern von Romantasy und Tiktok-Literatur, fern von Bestseller-Literatur? 2020 gewann Helga Schubert den Preis und sorgte im Anschluss daran für Aufsehen, kam zu Bestseller-Ehren, auch weil sie eine lange profilierte Autorin war.
Bei Nava Ebrahimi, obwohl ebenfalls eine nicht ganz unbekannte Autorin mit ihrem Erfolgsroman „Sechzehn Wörter“, ist das nach ihrem Sieg 2021 schon anders gewesen. Auch für die nachfolgenden Bachmann-Preis-Gewinnerinnen Ana Marwan, Valeria Gordeev und Tijan Sila liegt der literarische Superstardom in weiter Ferne.
Das aber spricht keineswegs gegen ihre Literatur, sondern ist nur der Ausdruck einer enorm veränderten Aufmerksamkeitsökonomie, gegen die es selbst der Wettbewerbscharakter des Bachmann-Lesens schwer hat.
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