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Kultur: Irvings Stellvertreter in Berlin

Rolf Hochhuths Lob für den Holocaust-Leugner

Von Frank Jansen

Die Stille irritiert. Rolf Hochhuth, ein nicht ganz unbekannter deutscher Schriftsteller und Dramatiker, hat öffentlich den britischen Holocaust-Leugner David Irving gelobt und verteidigt. Irving sei „sehr viel seriöser als viele deutsche Historiker“, hat Hochhuth am Freitag dem Tagesspiegel gesagt und damit Äußerungen aus einem Interview mit dem ultrarechten Wochenblatt „Junge Freiheit“ bekräftigt. Doch es regt sich kein Protest. Weder in der Kultur noch in der Politik sind Stimmen zu hören, die Hochhuths Gerede als das bezeichnen, was es ist: gefährlicher Unsinn und eine Beleidigung der Opfer des Holocaust und ihrer Angehörigen. Und niemand fragt, ob der Fall Hochhuth ein Indiz für die Erosion der demokratischen Abgrenzung gegenüber dem Rechtsextremismus sein könnte. So erscheint auch die öffentliche Stille selbst als weiteres Indiz.

Wenn schon die Gleichgültigkeit der Demokraten kaum zu begreifen ist, so gilt das erst recht für Hochhuth selbst. Was veranlasst einen Mann, der sich nicht nur mit dem Stück „Der Stellvertreter“ intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinander gesetzt hat, den brachialen Antisemitismus eines David Irving zu verharmlosen? Hochhuths Alter und eine anzunehmende Senilität können es nicht sein. Der 73-jährige Dramatiker betont, er sei schon seit 40 Jahren mit Irving befreundet. Also muss Hochhuth, als er gerade mal Anfang 60 war, mitbekommen haben, dass Irving vom Landgericht München zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 000 Mark verurteilt wurde, weil er die in Auschwitz noch heute zu sehende Gaskammer als eine von Polen nachgebaute „Attrappe“ bezeichnet hatte. Hochhuth kann dann auch nicht entgangen sein, weshalb sein Freund Irving seit Ende 1993 nicht mehr in die Bundesrepublik einreisen darf. Der Fall Hochhuth lässt sich also nicht mit einem biologisch zu deutenden, individuellen Realitätsverlust erklären. Es ist zu befürchten, dass die Frage nach dem Motiv des Dramatikers, einen Holocaust-Leugner zu rühmen, weit unangenehmer beantwortet werden muss.

Der Fall Hochhuth reiht sich in eine Serie von Tabubrüchen ein, die Zweifel am demokratischen Konsens der Ablehnung von Rechtsextremismus, Antisemitismus und anderem Rassismus wecken. Eine Art Initialzündung war der Auftritt Martin Walsers 1998 in der Paulskirche. Sein Wort von der „Moralkeule Auschwitz“ wirkt offenbar bis heute wie ein Fanal. Walser gab die Richtung vor für viele Entgleisungen, die sich Demokraten seitdem geleistet haben. Aber zumeist folgenlos bleiben die vielen Interviews, die renommierte Politiker der „Jungen Freiheit“ gewährt haben. Obwohl das Blatt permanent auch ein Forum für antidemokratische und rechtsextremistische Positionen bietet.

Das ist seit Jahren bekannt, und trotzdem lässt sich selbst eine SPD-Ikone wie Egon Bahr mit dieser anrüchigen Postille ein. Übler noch: Bahr gab im Interview Sprüche von sich, die auch von einem NPD-Funktionär hätten stammen können. Als das Gespräch auf Willy Brandts Kniefall in Warschau kam, sagte Bahr, kein Volk könne „dauernd kniend leben“. Das passt ins rechtsextreme Weltbild, in dem Deutschland permanent als geduckter Knecht der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs dargestellt wird.

Solche Tabubrüche sind denn auch geeignet, demokratische Abgeordnete im sächsischen Landtag zu ermuntern, mit ihren Stimmen die NPD-Fraktion zu unterstützen. Und im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf einen Verordneten der CDU zu animieren, inhaltliche Gemeinsamkeiten mit der NPD zu verkünden.

Da gibt es Aufregung. Bei Hochhuth nicht. Signalisiert die Stille Toleranz gegenüber Holocaust-Leugnern?

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