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Kultur: Jenseits in Afrika

Schmutzig, schmierig, mörderisch: Leonardo DiCaprio brilliert in „Blood Diamond“

Da wäre Danny Archer: Der Diamantenschmuggler schert sich einen Dreck darum, woher seine Edelsteine kommen. Ein Ex-Söldner vom Gröbsten: Seine Heimat Simbabwe nennt er standhaft beim Kolonialnamen Rhodesien, und selbst bei Warlords, die sich als „Captain Rambo“ bezeichnen und Gangsta-Rap reinziehen, riskiert er große Sprüche. Mit anderen Worten: ein mutiger Scheißkerl, von Leonardo DiCaprio mit Bogart’schem Mix aus Zynismus und Lässigkeit gespielt. Oscar-nominiert, wie wir seit gestern wissen.

Dann wäre da Solomon Vandy: ein armer Fischer, dessen Familie im Bürgerkrieg von Sierra Leone zersprengt wurde. Von Rebellen beinahe hingerichtet und zur Sklavenarbeit auf ein Diamantenfeld verschleppt, findet er einen rosa 100-Karat-Rohdiamanten – und vergräbt ihn. Schauspieler Djimon Hounsou ist ebenfalls Oscar-nominiert. Und zuletzt ist da noch Maddy Bowen (Jennifer Connelly), Zeitschriftenjournalistin. Sie hat die Schnauze voll von Geschichten über afrikanische Opfer, die auf CNN irgendwo zwischen Sport und Wetter gequetscht werden. Sie will ihre Leser mit einer Reportage über die Hintergründe der Konfliktdiamanten wachrütteln – jener blutbesudelten Edelsteine, mit denen Waffen und Kriege finanziert werden. Archer braucht den Stein, um dem Chaos Afrikas zu entfliehen. Vandy sucht ihn, um seine Familie wieder zusammenzubringen. Bowen benötigt die beiden Männer, um ihre Geschichte mit Fakten belegen zu können.

Regisseur Edward Zwick zwingt etwas schematisch, aber gekonnt Actionthriller und Melodram mit einer fiktiven Hintergrundreportage zu einem mahnenden Stück Infotainment zusammen. Über Kindersoldaten, die mit Heroin und einer vollen Ladung Indoktrination zu bedröhnten Kampfmaschinen herangezüchtet werden. Über die Verwicklung des Westens, der sich an der Ausbeutung von Land und Leuten mit blutigen Diamanten die Finger schmutzig macht. Über weiße Südafrikaner, die aus den Kriegen der Schwarzen Profite ziehen. Und das alles vor dem Hintergrund eines ungeheuer schönen Kontinents, in dem man zugleich knöcheltief in Blut und Schmutz versinkt: Kameramann Eduardo Serra reißt das gesamte Panorama zwischen Paradies und Elend, zwischen Naturwundern und Flüchtlingsströmen auf.

Nur: Wenn das Kino politisches und historisches Bewusstsein schärfen will, welche Form ist dafür angemessen? Der asketische Claude-Lanzmann-Essay oder die selbstreflexive Godard-Collage? Darf der Regisseur mit polemischer Agitation arbeiten wie Michael Moore? Oder zu mockumentary-Mitteln greifen, wie „Borat“ es zuletzt getan hat? Und, populärste Variante, wie steht’s mit aufrüttelnden Botschaften im Gewande des schlicht narrativen Unterhaltungskinos? Hollywood hat da seit jeher keine Skrupel, im Gegenteil – und mit Namen wie King Vidor, Frank Capra oder John Ford und Filmen von D.W. Griffiths „A Corner in Wheat“ bis Spielbergs „Schindlers Liste“ hat es gute Argumente auf seiner Seite. Dennoch: Auch „Blood Diamond“ schnürt kommerzielles Entertainment, Moral und das Leid der Unterdrückten zusammen – und das macht immer ein flaues Gefühl.

In diesem Fall kommt erschwerend hinzu, dass der Film den Bürgerkrieg vom Ende der neunziger Jahre partout in voller Breitseite zur Schau stellen will. Im „Black Hawk Down“-Stil zieht er den Zuschauer in das ohrenbetäubende Chaos hinein: in den Granathagel und das Maschinengewehrgewitter, die Gefahr der Panzerfaust immer im Nacken. Das ist packend inszeniert, aber reines Spektakelkino. Auch die unvermeidliche Romanze zwischen DiCaprio und Connelly ist vor allem eines: vermeidlich. Das Melodram fordert die Aufmerksamkeit über Gebühr. Passt da politische Aufklärung überhaupt noch rein?

Der Film mag stilistisch weniger gewagt sein als „Der ewige Gärtner“ und kommt, verglichen etwa mit „Hotel Ruanda“, beunruhigend beschwingend daher. Und dennoch gelingt der Balance-Akt auf dem schmalen Grat des Betroffenheitsentertainments – nicht zuletzt, weil Edward Zwick, bekannt für patriotische und orientalistische Schinken wie „Glory“ und „Der letzte Samurai“, sich kritisch zeigt wie selten zuvor. Einmal sagt ein traumatisierter alter Mann: „Hoffen wir, dass sie hier kein Öl entdecken.“ Hoffen wir mit ihm. Für Afrika.

In 22 Berliner Kinos; Originalversion im Cinestar SonyCenter

Julian Hanich

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