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Kultur: Kampf um Kunst und Freiheit in Iran

Vor 14 Jahren hat der Schauspieler und Regisseur Mohammad-Ali Behboudi den Iran aus politischen Gründen verlassen.Vor drei Wochen stand der 42jährige das erste Mal wieder in seiner Heimatstadt Teheran auf der Bühne.

Vor 14 Jahren hat der Schauspieler und Regisseur Mohammad-Ali Behboudi den Iran aus politischen Gründen verlassen.Vor drei Wochen stand der 42jährige das erste Mal wieder in seiner Heimatstadt Teheran auf der Bühne.Im Rahmen des ersten international besetzten Theaterfestivals seit der Machtergreifung von Khomeini präsentierte er "Barfuß nackt Herz in der Hand", eine Produktion des Theaters Oberhausen, sowie das Stück "Robinson und Crusoe", für das er von ultrarechten Zeitungen heftig angegriffen wurde.Am vergangenen Wochenende gastierte er mit dem von Thomas Goritzki inszenierten Stück im Kunsthaus Berlin."Barfuß nackt Herz in der Hand" wurde 1996 in Bern uraufgeführt.In dem Monolog erinnert sich der türkische Gastarbeiter Ali, der bei dem Brandanschlag von Solingen Frau und Kind verloren hat, an die Zeit vor der Katastrophe: die Ehe, das Leben mit Nachbarn und Kollegen.Behboudi hat das Stück seines Freundes Ali Jalaly für das Theater in Oberhausen adaptiert und bereits in verschiedenen deutschen Städten gezeigt.Mit Behboudi sprach Karen Fuchs.

TAGESSPIEGEL: Der Gastarbeiter Ali kommentiert die Deutschen ohne Bitterkeit und mit viel Witz.Wie haben Sie diese Figur angelegt?

BEHBOUDI: Ich möchte den Zuschauern eine problematische Geschichte erzählen, ohne ihnen Angst zu machen.George Tabori ist da für mich das große Vorbild.Wenn die Zuschauer lachen können, sind sie eher bereit, sich auf das Thema einzulassen.

TAGESSPIEGEL: Welches Anliegen verfolgen Sie mit Ihrem Theater?

BEHBOUDI: Theater ist immer engagiert.Wenn ich eine Rolle inszeniere, muß ich mich mit ihr identifizieren.Bei der Figur des Ali habe ich manchmal gedacht, ich bin zu sehr auf diese Rolle eingestiegen.Von dieser Figur kann man sich aber nicht distanzieren.

TAGESSPIEGEL: Wie hat das Publikum in Teheran die Geschichte aufgenommen?

BEHBOUDI: In Iran leben sehr viel mehr Gastarbeiter als in Deutschland; die meisten von ihnen sind Flüchtlinge aus Afghanistan.Das Phänomen war dem Publikum also vertraut.Überrascht hat viele vor allem, daß das Leben im Westen nicht immer Wohlstand bedeutet, sondern auch mit vielen persönlichen Enttäuschungen einhergeht.

TAGESSPIEGEL: Mußten Sie das Stück vor der Aufführung von der Zensur überprüfen lassen?

BEHBOUDI: Wir konnten "Barfuß nackt Herz in der Hand" genauso aufführen wie in Deutschland.Bei "Robinson und Crusoe", dem zweiten Stück, das wir gezeigt haben, gab es allerdings nach der Aufführung Angriffe in zwei ultrarechten Zeitungen.Es hieß, einige Szenen würden nicht den islamischen Sitten entsprechen, und Zuschauer hätten den Saal verlassen.Tatsächlich hatte keiner der Schauspieler sich entblößt, und das Publikum war bis zum Schluß vollzählig.Die beiden Zeitungen haben dann eine Gegendarstellung gedruckt.Mit so viel Widersprüchlichkeiten muß man derzeit in Iran einfach rechnen.

TAGESSPIEGEL: Aus Iran kommen widersprüchliche Nachrichten: einerseits mehr Pressefreiheit, mehr Öffnung dem Westen gegenüber, andererseits die jüngsten Ermordungen von Schriftstellern.Welchen Eindruck haben Sie von der Entwicklung?

BEHBOUDI: In Iran gibt es einen Kampf zwischen liberalen Kräften um Präsident Chatami und den konservativen, religiösen Kreisen, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.Chatami, selbst lange Kulturminister, versucht die Liberalisierung über Presse, Theater, Film und Literatur durchzusetzen.Das ist ein langwieriger Prozeß der kleinen Schritte.

TAGESSPIEGEL: Wie beurteilen Sie die aktuelle Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft?

BEHBOUDI: Die CDU/CSU hat mit ihrer Unterschriftenaktion eine Farce inszeniert.Sie brauchte eine effektvolle Aktion für die Wahlen in Hessen.Ich halte es für gefährlich, mit diesem Thema derart zu spielen.Der doppelte Paß wird nicht automatisch die Integration bringen.Aber er kann viele Probleme im Alltag lösen.Heute werden selbst Menschen, die schon seit Jahren in Deutschland leben, ständig daran erinnert, daß sie Ausländer sind.

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