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© Universal

Filmstart: "Green Zone": Alles Adrenalin

Wo, verdammt, sind die Massenvernichtungswaffen? Paul Greengrass’ Irak-Thriller „Green Zone“.

Das Warten auf die letzte Einstellung lohnt. Ein Spezialkommando der US-Armee, im März 2003 zur Suche nach Massenvernichtungswaffen in den Irak abkommandiert, rollt im Fahrzeugkonvoi davon. Außer einer alten Toilettenfabrik und anderem unexplosivem Ramsch hatte der Spürtrupp von Officer Roy Miller (Matt Damon) nicht viel gefunden. Und die bohrende Frage „Warum, verdammt, sind wir dann überhaupt in diesem Land?“ war stets unbeantwortet geblieben. Doch da fährt die Kamera nach oben und zeigt – eine Ölraffinerie. Von Öl als Kriegsgrund aber war im Film nie die Rede gewesen.

Diesem lakonischen Ende geht ein rasender Actionthriller voraus, wie ihn außer Paul Greengrass („Das Bourne Ultimatum“) derzeit nur wenige zu inszenieren vermögen. „Green Zone“, in Marokko, Spanien und England gedreht, führt zurück in die ersten Wochen des Irakkriegs und der Besatzungszeit. Zwar haben Greengrass und sein Drehbuchautor Brian Helgeland Inspiration aus dem preisgekrönten Sachbuch „Imperial Life in the Emerald City: Inside Iraq’s Green Zone“ von Rajiv Chandrasekarans geschöpft, dem ehemaligen Irak-Korrespondenten der „Washington Post“. Doch die Arroganz der Besatzer, ihre Ignoranz gegenüber den einheimischen Sitten interessieren eher am Rande. Auch die brutalen Verhörmethoden, die Indienstnahme der Medien und die Kompetenzgefechte zwischen CIA und Pentagon-Leuten werden nur nebenbei erzählt. Greengrass setzt vielmehr auf eine spannende Geschichte, auf das „große Adrenalin-Ding“, wie er es selbst bezeichnet – und in seinen besten Momenten packt es das Publikum wie ein Wüstensturm.

Schon in den ersten Sekunden signalisieren nervöse Handkamera, unruhige Zooms und irritierende Achsensprünge: Vorsicht, Sie betreten gerade die Greengrass-Zone. Die Spezialeinheit um Roy Miller geht einem Hinweis nach. In einer Halle könnten Massenvernichtungswaffen zu finden sein. Doch im Gebäude ist ein Heckenschütze versteckt. Die Folge: Hektik, Verwirrung, Anspannung. Spielend beherrscht Greengrass die Balance zwischen Tempo und Entschleunigung, von frenetischen Flucht- und stillen Heranpirschszenen. Perfekt funktioniert das bei einer Verfolgungsjagd durch die Gassen von Bagdad: drei Männer, drei Ziele, dreimal Extremtempo. Greengrass’ Kameramänner müssen exzellente Sprinter sein.

Auch die Karriere des 54-jährigen Briten weist einige rasante Wendungen auf. Zunächst berichtete Greengrass als Fernsehreporter aus Konfliktregionen, drehte später engagierte TV-Filme, wandelte sich zum politischen Autorenfilmer und Gewinner des Goldenen Bären (2002 für „Bloody Sunday“), um zu einem der bemerkenswertesten Action-Handwerker unserer Zeit zu werden. So effektiv, dass weniger agile Kollegen zu Kopisten werden. Marc Forster etwa hat im letzten Bond-Film „Ein Quantum Trost“ Greengrass’ hyperkinetischen Stil zu imitieren versucht. Das Ergebnis war trostlos.

Zugegeben, manchmal macht „Green Zone“ ein bisschen viel Brimborium um das abgekartete Spiel mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen. Zumal das Täuschungsmanöver heute niemanden mehr überrascht. Selbst der damalige US-Außenminister Colin Powell, Anfang 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat noch demonstrativ von den Geheim-Arsenalen des Bösen überzeugt, hat später eingeräumt: Die Informationen der Nachrichtendienste waren „bewusst irreführend“.

Andererseits scheut der Film sich keineswegs, neben dem lakonischen Schlusskommentar zur Kriegsursache auch eine klare Haltung zur amerikanischen Besatzungspolitik einzunehmen. Die Amerikaner hätten das irakische Militär und die Baath-Partei keineswegs sofort auflösen dürfen. Und von Anfang an hätte viel mehr mit den Irakern kooperiert werden müssen.

Diesen Standpunkt vertritt im Film der CIA-Veteran Martin Brown (Brendan Gleeson), der deswegen mit Clark Poundstone (Greg Kinnear) aneinandergerät, einem Bückling aus dem Pentagon. Dass Brown das Sprachrohr seines Regisseurs ist, wird deutlich, wenn Greengrass im Interview erklärt: „Das Problem ist, dass die Amerikaner Deutschland und Japan im Jahr 1945 als Modell nahmen.“ Wie die Gegner des Zweiten Weltkriegs sollte auch der Irak buchstäblich auseinandergenommen und wieder aufgebaut werden. Ein verhängnisvoller Fehler. Denn: „Die Armee war der einzige Teil, der die heruntergekommene Struktur zusammengehalten hatte. Saddam Hussein betrachtete sie immer als seine Hauptbedrohung, denn sie war sehr nationalistisch. Jeder, der sich mit dem Thema auskennt, sagt: Die Armee auseinanderzunehmen war die katastrophalste aller Entscheidungen.“

Nun gut, ein paar Leute, die das anders sehen, fallen einem schon ein. Sie heißen Bush, Rumsfeld oder Wolfowitz. Der Film nennt sie nicht beim Namen, aber sie sind seine eigentlichen Schurken.

In 16 Berliner Kinos; Originalversion im Cinestar SonyCenter

Julian Hanich

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