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In vielen europäischen Ländern bestraft der monströse Krampus die unartigen Kinder. Hier laufen die Monster durch Salzburg.

© IMAGO/Daniel Scharinger/IMAGO/Daniel Scharinger

Kloppe, Knecht und Krampus: Nikolaus und Gewalt sind nicht zu trennen

Trotz seines mittlerweile großväterlichen Images, hat Brutalität rund um den Heiligen Nikolaus ihren festen Platz. Auch er selbst soll einst handgreiflich geworden sein.

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Die Woche begann mit einem echten Nikolaus-Aufreger: Auf der niedlichen Insel Borkum (herrliche Strände! Walknochenzäune!) werden in der Nacht zum Nikolausfest Frauen mit Kuh-Hörnern verprügelt, von „Jungs“, die an ihre wüsten Kostüme sogar Robbenfelle hängen sollen. Diese „Klaasoheime“ treiben in einer Turnhalle „was Geheimes“, bevor sie „auf Jagd“ gehen.

Das „Brauchtum“ soll auf Ich-verlange-meine-Macht-zurück-Rituale heimkehrender Walfänger zurückgehen. Allerdings liegt die Walfangzeit Borkums 200 Jahre zurück, und Historiker, die um die ständig neue „Erfindung von Tradition“ im Dienst der Machterhaltung wissen, sind jeder Behauptung von „altem Brauch“ gegenüber höchst skeptisch.

Jedenfalls berichtetem in der ganzen Republik die Medien erregt und selbstgerecht empört über die Insulaner, zitierten Augenzeuginnen, die klagten, dass die Übergriffe heftig seien, die Drohung mit Gewalt an sich schon einengend wirke.

Gleichzeitgig protestierten andere Frauen auf der Insel gegen die paternalistische Sorge der Festländer um ihr Wohl. Unsere Insel, unsere Angelegenheit usw. … Inzwischen hat der Jungs-Verein beschlossen, ohne Kloppen den Heiligen zu feiern. Gut so. Nicht mal die AfD, sonst eifrige Kämpferin gegen jeden Wokismus und für kraftstrotzende Männlichkeits-Bilder, stellte sich vor den „alten Brauch“.

Schläge für Ketzer und unartige Kinder

Aber nichts ist falscher als die Behauptung von UnserTirol24: „Gewalt hat in der Tradition des Nikolaus nichts zu suchen“. Ganz im Gegenteil. Sicher hat der Heilige der Kinder, Prostituierten, Händler und Seefahrer, Jungfrauen oder Studierenden (die Liste seiner Schutzbefohlenen ist sehr lang) seit jeher ein großvaterfriedliches Image. Und er starb im Bette, nicht als fanatischer Märtyrer.

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Aber es gibt eben auch die wilden Nikolaus-Begleiter: Den tobenden Krampus im Alpengebiet; Knecht Ruprecht mit der Rute, der ungehorsame Kinder straft; der Zwarte Piet in den Niederlanden, der auch – nicht nur, aber lassen wir hier diese Debatte – an die Versklavung von Schwarzen Afrikanern erinnert; der norddeutsche „Bullerklas“; der rheinische Hans Muff. Sie alle sind Symbole der finsteren Unterwelten, die zwar meist vom Heiligen gebändigt werden können. Aber manchmal büxen sie eben doch aus.

Und auch der Heilige rastete einmal aus, auf dem Konzil von Nicäa nämlich. Dort soll er jenen Presbyter Arianus geohrfeigt haben, der gegen alle Kirchenlehre behauptete, dass Jesus nur ein besonderer Mensch und nicht auch Gott sei.

Genau dieses direkte Nebeneinander von Pastoren-Milde und Gewaltdrohung macht die Kulte um den einstigen Bischof von Myra so viel lebenskräftiger als die der meisten anderen Heiligen. Sie stehen nur auf der Seite des Lichts. Er dagegen schillert zwischen Hell und Dunkel, ist nicht so einfach zu erklären – ist also spannend. Was geschieht jetzt eigentlich mit den Borkumer Kuhhörnern?

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