
© AFP/GREG BAKER
Kolumne „Mehrwert“, Folge 14: „Barbenheimer“ und die Zensur
Wie Geopolitik, Religion und bigotte Moral bei den Blockbustern der Saison die Zensur in Asien auf den Plan rufen – und wie „Barbie“ in China ankommt.

Stand:
Ein Spezialeffekt der besonderen Art: Dass Florence Pugh sich in einer Szene von Christopher Nolans „Oppenheimer“ nackt auf einem Sessel lümmelt (Cillian Murphy als „Vater der Atombombe“ auf dem Sessel gegenüber übrigens auch), hat die Zensur in Mittelasien auf den Plan gerufen.
In Indien trägt die eigentlich ohnehin züchtig platzierte Geliebte des Titelhelden jetzt sicherheitshalber ein kleines Schwarzes, computergeneriert. Zumal die beiden während einer Sexszene auch noch eine bedeutende hinduistische Schrift aus dem Regal holen. Blasphemie!
Bei „Barbie“, dem anderen Top-Blockbuster der Saison, sorgt eine Weltkarte für Aufregung, die bereits im Trailer zu sehen war. Auf der Kinderkrizzelei“ (Warner) im Bildhintergrund ist eine gestrichelte Linie im chinesischen Meer zu sehen. Sie ähnelt jener Neun-Striche-Linie, mit der China gern seine dortigen Gebietsansprüche markiert.
In Vietnam ist „Barbie“ deshalb aus geopolitischen Gründen verboten. Auch Malaysia, Taiwan und die Philippinen waren not amused. In den Philippinen läuft der Film jetzt ohne die Szene mit der Karte.
Und in China? Ist „Barbie“ vor zehn Tagen gestartet, allerdings boomt Greta Gerwigs feministische Komödie dort nicht gerade. Was damit zu tun hat, dass die Puppe im Reich der Mitte keine Ikone ist, der Mattel-Flagshipstore in Schanghai floppte schon vor gut 20 Jahren.
Am ersten Wochenende schaffte der Film es dort nur auf Platz Fünf, „Mission Impossible 7“ erging es kaum besser (und „Oppenheimer“ startet erst Ende August). Hollywood hat es neben nationalen Helden- und Historienepen in China zunehmend schwer.
2021 veröffentlichte der amerikanische PEN den ausführlichen Bericht „Made in Hollywood, Censored by Beijing“. Darin ging es nicht nur darum, dass etwa der Bond-Film „Skyfall“ für den zweitgrößten Kinomarkt der Welt drastisch umgeschnitten wurde. Sondern auch, dass US-Studios teils schon am Set Selbstzensur betreiben, unter Beteiligung chinesischer Berater. Die Strategie hat sich bislang nicht bewährt, Hollywood rückt langsam wieder davon ab.
Die gute Nachricht: „Barbie“ hat etwa auf Weibo, dem chinesischen Twitter, rege Diskussionen ausgelöst. Die einen freuen sich, dass der Film im männerdominierten China die Frauen empowert. Andere finden, es handele sich nur um „oberflächlichen“ Feminismus mit einer Heldin, die überkommene Schönheitsideale verkörpert. Berichtet wird auch, dass Männer empört Vorstellungen verlassen haben sollen – und dass „Barbie“ Paare entzweit.
„Wer den Film nicht akzeptieren kann, hat nicht begriffen, wie der Alltag von Frauen aussieht“, schreibt ein 24-Jähriger auf Social Media. Kein gesellschaftlicher Wandel ohne Streit, am Ende auch in China?
Christiane Peitz schreibt hier alle zwei Wochen über Menschenrechte, Zensur und Diskriminierung.
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