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Debora Antmann

© Privat

Kolumne Schlamasseltov: „Bist Du ne echte Jüdin?“

Mit dieser und weiteren Fragen wurde unsere Kolumnistin von einem auch sonst sehr aufdringlichen Mann in der S-Bahn bedrängt. Hier schreibt sie eine Ode an diesen Klaus.

Debora Antmann
Eine Kolumne von Debora Antmann

Stand:

Klaus. Ich weiß, dass Du vermutlich anders heißt, aber das ist der Name, den ich wispere, wenn ich dich vor meinem inneren Auge sehe. Ach Klaus, ich habe deinen Blick schon auf mir gespürt, als noch das kleine Mädchen neben mir saß, das entzückt meinen Hund anschmachtete. Sie stand auf und der Bahnsitz hatte nicht mal die Chance zurückzuklappen, da warst Du schon da.

Scharfer Schweiß, durch die Maske hindurch. So nah warst Du mir. Oh Klaus. Und dann hörte ich das erste Mal deine Stimme. Deine Worte Klaus, ich schreibe sie hier für dich nieder: „Bist Du ne echte Jüdin?“ Meine Augen Klaus. Vielleicht haben sie nicht gereicht unter der Maske. Der Blick, der voller Hingabe sagte: „Verpiss Dich“. Du warst jetzt so nah, dass dein Basecap mir fast mehr Schatten spendete als dir, die Gesichter der Typen auf deinem ironischen T-Shirt nur noch verschwommene Gestalten.

Du bist nicht scheu, Klaus. Zögerst nicht Dich zu wiederholen: „Also bist Du ne echte Jüdin? Weil gibt ja auch welche, die das nur so als Glaubensbekenntnis annehmen“. Ach Klaus. Unsere Gesichter, jetzt nur noch getrennt von den dünnen Schichten meiner FFP3-Maske. Mein Rollstuhl und die Bahn lassen nicht genug Spielraum, um von dir abzurücken. „Und das interessiert dich warum?“ – „Interessiert mich einfach“, berlinerst du. „Trägst den Stern ja auch ganz offen zu Schau. Da kann man ja fragen.“

„Du trägst Dein Gesicht auch ganz offen zur Schau und trotzdem spucke ich nicht rein“, sage ich nicht. Du bist die Mühe nicht wert, Klaus. Ich sage: „Es kann dich interessieren, aber ich muss nicht antworten.“ Klaus, deine Körperhaltung ist wie ein Kammerspiel. Du lehnst dich zurück, schüttelst den Kopf und lachst, als wäre ich absurd unkooperativ, albern empfindlich.

Ach Klaus. Du wartest auf Applaus vom Rest der Bahn. Keine Reaktion. Armer Klaus. „Ich frage das immer und die meisten beantworten mir das auch.“ Verächtliches Lachen in meine Richtung. Klaus! Hör auf, Jüd_innen zu belästigen! Du fragst das immer? Das ist kein Qualitätsmerkmal, Klaus! Das ist ein Problem! Lass Jüd_innen in Ruhe. Unsere Anwesenheit ist keine Einladung.

Die restlichen Minuten Lachen, Kopfschütteln und Tippen auf dem Smartphone. Ich kann das kleine Twitter-Icon sehen. Gibt es jetzt einen entrüsteten Thread über mich, Klaus? Sei dir gegönnt. Darüber wie du eine Jüdin in einer Berliner S-Bahn belästigt, gibt es nun eine ganze Kolumne. Im Tagesspiegel. Ein Negativ-Beispiel. Seid nicht wie Klaus!

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