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Geschichte: Das Gesicht von Tucker Carlson an der Fassade der Zentrale der Fox News Corporation in New York.

© Reuters/Brendan McDermid

Kulturkampf in den US-Medien: Tucker Carlson ist nicht das Problem, sondern ein Symptom

Der erzkonservative Sender Fox News entlässt Moderator und Trump-Spachrohr Tucker Carlson, CNN feuert Don Lemon. Schlägt das politische Klima in den US-Medien jetzt um?

Von Andreas Busche

Seinen auf absehbare Zeit letzten Fernsehmoment hatte Fox-News-Moderator Tucker Carlson am vergangenen Freitag an der Seite eines Pizzalieferanten. Im Karton befand sich eine kulinarische Kombination, die jeden Food-Connaisseur mit Grauen erfüllt: Wurst und Ananas.

Carlson, ein Freund der Grenzüberschreitung, lachte: „Ich kenne keine Scham.“ Auch politisch ist der Journalist schon länger ein acquired taste, wie man im englischsprachigen Raum euphemistisch gewöhnungsbedürftige Verhaltensauffälligkeiten nennt.

Carlson hat sich im Verlauf von knapp 15 Jahren von einem liberalen Kommentator zu einem der verbissensten Kulturkämpfer der amerikanischen Rechten gewandelt. Sein Gruß ins Wochenende endete am Freitag mit den Worten: „Wir sind Montag zurück!“ Dazu ist es nicht mehr gekommen.

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Am Montag meldete der zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehörende Sender, dass sich die Wege von Tucker Carlson und Fox News mit sofortiger Wirkung und „in gegenseitigem Einvernehmen“ trennen.

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Es war das überraschende Ende einer lukrativen Partnerschaft. Carlsons Show gehörte zu den erfolgreichen Primetime-Formaten, mit denen Fox News allabendlich direkt in die Wohnzimmer der treuesten Trump-Anhänger sendet.

Der Exitus der politischen Talkshow „Tucker Carlson Tonight“ markiert vermutlich keinen politischen Paradigmenwechsel. Er zeigt aber, dass der Nachrichtensender künftig eine moderatere politische Linie einzuschlagen gedenkt.

Zuletzt war Tucker Carlson das bekannteste Gesicht und die lauteste Stimme von Fox News – und das immer öfter zum Nachteil des Senders.

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Seit dem Sturm von Anhängern Donald Trumps auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 und der Niederlage in den Zwischenwahlen im November haben sich die Hosts der Primetime-Talkshows in immer absurderen „Kulturkämpfen“ verrannt: über Wokeness, Polizeigewalt, Rassismus, Geschlechteridentität. Und waren auch maßgeblich verantwortlich für die Verbreitung der „großen Lüge“, dass Joe Biden nur durch einen systematischen Wahlbetrug vor drei Jahren die Präsidentschaft gewann.

Die Abberufung von Carlson eine knappe Woche nach der außergerichtlichen Einigung zwischen Fox News und dem Wahlsoftware-Hersteller Dominion, die eine Schadensersatzforderung von 1,6 Milliarden Dollar auf 787 Millionen Dollar reduzierte, ist natürlich kein Zufall. Carlson war am Ende weder politisch noch finanziell noch tragfähig.

Das rechte Polit-Theater war für die Einschaltquoten

Zumal der Prozess gegen Fox News eben auch einen Haufen interner Emails zutage gefördert hatte, in denen klar wurde, dass die Trump-freundliche Polemik von Carlson, Sean Hannity, Laura Ingraham, Jeanine Pirro und Maria Bartiromo nur Polit-Theater für die Einschaltquoten sind. Innerlich hatten sich Rupert Murdoch und sein Sender längst von Trump distanziert.

Dass der lange aussichtsreiche republikanische Präsidentschaftskandidat Ron DeSantis in den Umfragen derzeit noch über zwanzig Prozentpunkte hinter Donald Trump liegt, macht den Medienwahlkampf bis zu den Vorwahlen im Februar 2024 wieder interessant.

Auch DeSantis positioniert sich als Kulturkämpfer, der sich unter anderem mit dem „woken“ Disney-Konzern, dem größten Arbeitergeber in seinem Bundesstaat Florida, anlegt. Wahlkampf ist in den USA seit Donald Trump ein unglaublicher Medienzirkus. Schon 2017 gab CNN-Chef Tony Maddox zu, die Wahl von Trump sei „gut für das Geschäft“ gewesen.

Blaue Metropolen gegen rote Vorstädte

Dem Konkurrenten Fox News sind Donald Trump und seine Folgen nun hingegen teuer zu stehen gekommen. Ein nicht zu unterschätzender Kollateralschaden ist die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft in Trump-Anhänger und Trump-Hasser. Beziehungsweise: zwischen den überwiegend demokratisch wählenden, dicht besiedelten Metropolen und der überwiegend republikanisch wählenden Vorstadt- und Landbevölkerung.

Die Aufhebung des demokratischen Grundgedankens der Überparteilichkeit geht zwar auf den Republikaner Newt Gingrich zurück, der bis 1999 Sprecher des Repräsentantenhauses war. Aber erst Donald Trump und Mitch McConnell zementierten die politischen Fronten.

Die amerikanischen Nachrichtensender haben diese Entwicklung begleitet und gefördert. Heute stehen sich CNN und MSNBC im liberalen Lager und im rechten Spektrum Fox News sowie obskure Sender wie Newsmax und One America News Network (OANN) unversöhnlich gegenüber.

Insofern ist vielleicht nicht ganz unmaßgeblich, dass mehr oder weniger zeitgleich mit der Entlassung von Tucker Carlson auch CNN die Trennung von seinem Moderator Don Lemon nach 17 gemeinsamen Jahren bekanntgab.

Lemon gehörte im CNN-Stall zu den polemischsten Kritikern von Trump. Die Gründe für seine Entlassung waren aber, gemessen an den verbalen Fehltritten, die täglich auf Fox News zu hören sind, vergleichsweise harmlos.

CNN-Moderator Don Lemon wurde wegen einer sexistischen Bemerkung von seinem Sender entlassen.
CNN-Moderator Don Lemon wurde wegen einer sexistischen Bemerkung von seinem Sender entlassen.

© Reuters/Mike Segar

Lemon hatte in einer Sendung eine abfällige Bemerkung über das Alter der Trump-Herausforderin Nikki Haley gemacht. Man bedenke: Viele Republikaner wählten 2016 Donald Trump trotz sexistischer Bemerkungen zum Präsidenten.

Keine Rückkehr zu „fair und ausgewogen“

Auch wenn die beiden Fälle nicht vergleichbar sind, werfen die Entlassungen ein Licht auf den gegenwärtigen Zustand der politischen Diskurse in den Nachrichtensendern. Die Personalien könnten ein Indikator für atmosphärische Veränderungen in der Medienlandschaft sein. 2017 hatte sich Fox News noch von seinem Motto „Fair and Balanced“ verabschiedet.

Die Entlassung von Carlson bedeutet nun nicht, dass der Sender zu einer ausgewogenen Berichterstattung zurückkehrt; allein schon deswegen nicht, um mit dem Weggang von Carlson nicht auch noch dessen radikalisierte Zuschauerschaft an die Konkurrenz von Newsmax und OANN zu verlieren. Bereits im Laufe des Montags trendete unter Carlson-Fans der Hashtag „Done with Fox“ (Schluss mit Fox) auf Twitter.

Doch eine Mäßigung des blindwütigen Konfrontationskurses der Fox-News-Moderator:innen könnte fortsetzen, was der Dominion-Prozess bereits angestoßen hat. Nämlich die Einsicht bei Rupert Murdoch und Sohn Lachlan, die lange Zeit gut an den Kontroversen verdienten, dass die Meinungen am radikalen rechten Spektrum langfristig nicht gut fürs Geschäft sind. (Zumal man mit Ron DiSantis bereits über ein geeignetes Zugpferd für die Trump-Nachfolge verfügt.)

Konkurrent CNN hatte bereits im vergangenen Sommer erklärt, dass der Senderkonzern vom Meinungsjournalismus der Trump-Jahre zur politischen Unparteilichkeit zurückkehren wolle. Lemon könnte in dieser Strategie möglicherweise nur ein Bauernopfer sein.

CNN-Chef Chris Licht begründete den Richtungswechsel im Sommer damit, dass man wieder demokratische und republikanische Wähler erreichen wolle. Sollte sich die Politik der Grand Old Party weiter radikalisieren, wäre das zumindest ein kluger Schachzug, um die wachsende Zahl von Trump-kritischen Republikanern für CNN zu gewinnen.

Vor dem Hintergrund solcher Nachrichten wirken die aktuellen Enthüllungen um Springer-CEO Matthias Döpfner fast possierlich. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die US-Medien in der jüngeren Vergangenheit selbst zu offen politischen Akteuren geworden sind.

In Deutschland ist politische Medienmacht stärker verwaltungstechnisch verankert. Was im Umkehrschluss dazu führte, dass in den USA Journalist:innen (und die zahlreichen „Polit-Experten“ in den Talkshows) zu regelrechten Popstars werden konnten.

Auch die Personalie Tucker Carlson, der nun das journalistische Alleinstellungsmerkmal besitzt, von CNN, MSNBC und Fox News gefeuert worden zu sein, ist nur ein Mosaiksteinchen in den aktuellen medialen Verwerfungen. Seine weitere Karriere könnte, analog zu einem Julian Reichelt, dem früheren „Bild“-Chef, weiter an den rechten Rand der amerikanischen Publizistik (und damit in die Bedeutungslosigkeit) führen. Entscheidend für den künftigen Kurs von Fox News ist ohnehin das politische Profil seiner Nachfolge.

Die Trump-Anhänger hat Fox News mit der Entscheidung vom Montag endgültig verloren. Spannender dürfte es werden zu sehen, wie das Murdoch-Imperium dieses gewaltige Vakuum nun wieder füllt.

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