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„La Sirène“ eröffnet die Panorama-Sektion. 

© Les Films d’Ici

„La Sirène“ im Panorama: Raketen regnen vom Himmel

Der mitreißende Animationsfilm „La Sirène“ von Sepideh Farsi spielt während des ersten Golfkriegs, steckt aber voller Bezüge zu aktuellen Protesten im Iran.

Omid streckt sich, um den Schuss zu parieren. Als er gerade in die Ecke des Tores strebt, ziehen ein paar Flugkörper seine Aufmerksamkeit auf sich. Hinter dem Bolzplatz, auf dem der 14-Jährige mit seinen Freunden spielt, regnen Raketen auf die Raffinerie von Abadan herab. Dann verwandelt sich der Horizont in eine Wand aus Feuer und Rauch. 

Spiel und tödlicher Ernst liegen im Panorama-Eröffnungsfilm „La Sirène“ nah beieinander. Die Iranerin Sepideh Farsi erzählt eine Geschichte vom Erwachsenwerden vor dem Hintergrund des ersten Golfkriegs. Der entbrannte 1980 zwischen Iran und Irak. 

„La Sirène“ ist Sepideh Farsi erster Animationsfilm

Handlungsort Abadan ist eine umkämpfte Ölmetropole an der Grenze zwischen beiden Staaten. Sie wurde im Krieg fast vollständig zerstört – einer der Gründe, warum sich Farsi entschied, „La Sirène“ als Animationsfilm zu realisieren. Ein weiterer Grund ist ihr Leben im Exil.  

Die Regisseurin, Jahrgang 1965, hat sich immer wieder mit den Protesten gegen die iranische Regierung befasst. So dokumentierte sie 2009 mit „Tehran Without Permission“, wie sich die Bevölkerung für mehr Pressefreiheit einsetzte. In der Folge wurde ihr die Wiedereinreise in den Iran verwehrt. Doch auch von Paris aus setzte sie ihren Widerstand gegen das Mullah-Regime fort. 2022 stellte sie Handyaufnahmen der Demonstrationen, die sie im Internet fand, zur Doku „Daughters of Iran“ zusammen. 

Nun folgt mit „La Sirène“ ihr erster Animationsfilm. Der spielt 1980, doch aktuelle Bezüge leuchten immer wieder in die Handlung hinein. So will sich Omid an einem Stützpunkt erkundigen, wie es seinem Bruder an der Front ergeht, und wird von einem Soldaten angeschrien: „Hör’ auf, Fragen zu stellen, das ist ein Befehl!“ Omid würde am liebsten selbst kämpfen, muss aber mit seinem Großvater in Abadan ausharren. Er leistet seinen Beitrag, indem er Essen ausfährt. Dabei begegnet ihm eine Reihe still widerständiger Figuren. Etwa eine ehemals berühmte Sängerin, die seit der Islamischen Revolution 1979 nicht mehr auftreten darf. 

Farsi inszeniert den Film zügig, mit viel Musik und einer Prise Humor, zeichnet dabei dennoch ein differenziertes Bild der iranischen Gesellschaft. Die Animationen von Zaven Najjar sind einfach gehalten. Realitätsbezug und künstlerische Verfremdung treten bei ihm in ein Spannungsverhältnis: Die Figuren wirken flächig, doch durch die vielen beweglichen Details entsteht um sie herum ein dreidimensional anmutender Raum. Gleichzeitig ist dieser Trickfilm nichts für Kinder. Farsi zeigt Blut, abgerissene Gliedmaßen und Gedärme – die Bedrohung bleibt jederzeit spürbar.  

Acht Jahre dauerte der Krieg an. Am Ende führte er zu keinen territorialen Veränderungen. Eine Million Menschen jedoch haben ihn nicht überlebt. 

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