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Das Werk der Bayer AG in Leverkusen mit der großen Leuchtreklame.

© Oliver Berg/dpa

Zu den Wurzeln (4): Leverkusen leuchtet

Verreisen ist schwierig. Und zu Hause sind alle Covid-Ecken ausgeleuchtet. Wir gehen in dieser Sommerserie an den Anfang zurück – an die Orte, wo wir aufgewachsen sind: Urlaub in der Kindheit und Jugend. Diesmal in Leverkusen.

Böse Zungen behaupten ja, das Beste an Leverkusen seien die Autobahnen 1 und 3 – so komme man schnell wieder weg. Tatsächlich kennen viele die Stadt am Rhein nur vom Vorbeifahren. Außer dem Fußballstadion gibt es ja auch kaum einleuchtende Gründe für einen Besuch.

Immerhin: Man bemerkt Leverkusen sowohl vom Zug als auch von der Autobahn aus auf jeden Fall. Vor allem abends und nachts, denn dann leuchtet sein Wahrzeichen – das Bayer-Kreuz.

Namensgeber der Stadt war der Chemiker Carl Leverkus

Dass das Firmenlogo neben dem Stadion Leverkusens bekannteste Bauwerk ist, passt, denn ohne den Konzern wäre die Stadt nicht entstanden. Schon ihren Namen verdankt sie Carl Leverkus, einem Chemiker und Unternehmer, der ab 1860 seine Ultramarinfabrik in die Gemeinde Wiesdorf verlegte.

Die von ihm gegründete Firmensiedlung nannte er Leverkusen. 1930 schlossen sich die Orte Wiesdorf, Schlebusch, Steinbüchel und Rheindorf unter diesem Namen zu einer Stadt zusammen. Drei Jahre später hing zwischen zwei Schornsteinen der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. AG – sie hatten Leverkus’ Firma übernommen – das erste Kreuz-im-Kreis-Logo. Es hatte einen Durchmesser von 72 Metern und bestand aus 2200 elektrischen Glühbirnen. Das heutige Modell wiegt 300 Tonnen hat 51 Meter Durchmesser und 1710 Lampen – laut Bayer das größte Warenzeichen der Welt.

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Mein Vater ist Chemiker und begann in den Siebzigern bei der Firma zu arbeiten. Wir wohnten nicht weit vom Werk entfernt, vom Wohnzimmer aus konnte man einen Teil vom Bayer-Kreuz sehen. Der Hockeyclub, in dem ich seit meinem siebten Lebensjahr spielte, hatte das Kreuz genauso im Logo wie der Fußballverein mit dem Ehrennamen Vizekusen.

Der Anblick der Leuchtreklame löst bei mir immer noch ein anheimelndes Gefühl aus. Das geht vielen so: Als der Konzern vor zehn Jahren den Abriss des Kreuzes plante, gab es einen Proteststurm, der maßgeblich von den Fußballfans getragen wurde. Nachdem der damalige Bayer-Vorstandsvorsitzende verkündet hatte, dass die Leuchtreklame bleiben kann, fuhr ein Autokorso durch die Straßen, jubelnde Menschen kamen zusammen.

Das einzige elegante Hochhaus wurde abgerissen

Ich kann das verstehen, denn Leverkusen neigt zum großflächigen Abriss, was für die Ansässigen verstörend sein kann. Ein Teil der Innenstadt, in der ich in meiner Kindheit und Jugend viel Zeit verbracht habe, existiert nicht mehr. Rathaus, Bayer-Kaufhaus und alles dazwischen wurde platt gemacht und durch eine ultrahässliche Shopping Mall ersetzt.

Noch schmerzlicher ist, dass es das einzige wirklich imposante Hochhaus der Stadt nicht mehr gibt: Es hieß W1, war 122 Meter hoch und diente von 1963 bis 2003 als Konzernzentrale der Bayer AG. Gebaut in einem an Mies van der Rohe erinnernden spätmodernen Stil strahlte es eine elegante Weltläufigkeit aus.

Während meiner Werkstudentinnen-Jobs in den Neunzigern habe ich immer gern zu dem weißen Giganten aufgeblickt. Reingekommen bin ich selten. Als ich einmal irgendwas in der Vorstandsetage im 26. Stock abgeben sollte, habe ich extra ein wenig getrödelt, um mir Leverkusen und Köln von oben anzuschauen. Der Rhein, das Werksgelände, das heute Chempark heißt, mit seinen Röhren, Backsteinhäusern und Schornsteinen – ich mag Industriearchitektur bis heute.

Sie wäre auch ein Grund mal in Leverkusen von der Autobahnen abzufahren. Leider sind die Gratis-Bustouren durch den Chempark derzeit coronabedingt ausgesetzt. Doch wenn man die B8 nimmt, kann man einmal an der Vorderseite entlangfahren- oder auch gehen und hat einen guten Blick aufs Bayer-Kreuz.
Bisher erschienen: Rüdiger Schaper über Worms, Christiane Peitz über die Völklinger Hütte, Ulrich Amling über Belin-Konradshöhe

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