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Alive and swinging. Manfred Krug und Uschi Brüning im Konzerthaus Berlin.

© Jörg Carstensen/dpa

Manfred Krug und Uschi Brüning im Konzerthaus: Lies mir Liebe von den Lippen

Sie können Jazzschlager: Manfred Krug und Uschi Brüning singen im Konzerthaus

So und jetzt bitte noch mal auf den Resetknopf drücken und die ganze erste Hälfte von vorn. Schon abenteuerlich, was das Konzerthaus am Gendarmenmarkt – oder wer hier am heiligen Sonntag den Klang verwaltet hat – den Besuchern als Sound anbietet. Was auch immer Uschi Brüning und Manfred Krug in den ausverkauften Prachtsaal sprechen mögen, ist zu Beginn nur mit Lippenlesen und Luchsohren zu verstehen. Und Gesang und Instrumente ihres fein besetzten Jazzquartetts verhallen als Klangbrei. Kurzum: Dies ist einfach kein Haus für elektronisch verstärkte Musik.
Nur gut, dass die Mischung nach der Pause deutlich an Tiefe und Klarheit gewinnt. Nur gut, dass das hier ein Heimattreffen alter Bühnenlieben ist. Von Manfred Krug und Uschi Brüning, mit der er seit 1971 immer wieder kongeniale Duette singt. Von zwei Stars der DDR und ihrem hingebungsvollen Publikum, das am Ende jubelnd von den Sitzen aufspringt und Blumen überreicht. Und vor allem von Jazz und Schlager, die in Deutschland nur Caterina Valente und Manfred Krug so elegant, berührend und witzig miteinander versöhnt haben.
Dass sich darauf solo auch Uschi Brüning versteht, zeigt sie mit einer federleichten, sehnsuchtsvollen Bossa-Version des Cole-Porter-Valente-Hits „Ganz Paris träumt von der Liebe“, die wie viele Lieder des Programms auch auf dem aktuellen Album „Auserwählt“ von Krug/Brüning (Edel Records) zu finden ist. Dessen Vinyl-Ausgabe hält Krug hoch, als er sich zur Lesung einer selbst geschriebenen, in der frühen DDR verorteten Kurzgeschichte an einem Holztischchen niederlässt. Es ist ein schönes, von Andreas Bicking sorgfältig arrangiertes Album, auch wenn der krankheitsbedingt bühnen- und studioabstinente Krug mit 77 Jahren nur noch das Echo des lässigen Kraftkerls von einst ist.

Für so eine Mucke bin ich gesund genug

„Ich war krank“, sagt er denn auch mit Blick aufs hohlwangige Coverfoto, aber jetzt sei er wieder gesund. Und setzt in alter Sarkasten-Manier nach: „Na ja, nicht übertrieben gesund, aber für so ’ne Mucke reicht’s.“ Das aufbrandende Gelächter gilt nicht dem Strickjacken-Opi von heute, sondern Steh-auf-Manne, dem Trotzigen, der sich vom Ärger im Osten und Durststrecken im Westen niemals kleinkriegen lässt. Ein Bild, das er auch 35 Jahre später noch ausgiebig in seinen Moderationen pflegt.
Wie gesagt, ein Heimattreffen. Ein glückliches dazu. Ab 60 sind doch alle irgendwie Überlebende. Das eint. Das freut. So wie es freut, das Manfred Krug von Lied zu Lied mehr nach sich selber klingt, auch wenn er so haltsuchend mit dem Blick am Notenpult klebt, dass Uschi Brüning – meist vergeblich auf Augenkontakt bedacht – von rechts seine Nase ansingt.
Dass er recht hat mit seiner schnodderigen Selbsteinschätzung, durchaus noch Konzerte zu stemmen, liegt auch daran, dass die Jazzballadenflüsterin, Soulsister und Bluesröhre Brüning mit ihren 67 Jahren alle Gesangsfarben der Welt zur Verfügung hat, auch wenn sie in den Duetten dem Kollegen zuliebe nur die Hälfte des möglichen Volumens aussingt.
Und daran, dass Andreas Bicking an Tenorsaxofon und Querflöte, Tom Götze am Kontrabass, Matthias Bätzel an Piano und Hammond Orgel und der tolle Günther-Fischer-Schlagzeuger Wolfgang Zicke Schneider den Frontmann und die Frontfrau auf virtuosen und empathischen Schwingen durch gut zwei Programmstunden tragen. „Mein lieber Schwan!“, bestaunt Manfred Krug denn auch ein rauschendes Instrumental des Quartetts und kokettiert damit, dass zwei der Herren gar Professoren seien. „Ich sag’ aber nicht wer, sonst tragen sie die Nase so hoch.“

Die Profis harmonieren einfach

Krug hat sich beim Albumtitelsong „Auserwählt“ auch mal wieder als Texter betätigt. Unter seinem alten Amiga-Pseudonym Clemens Kerber. Herausgekommen ist ein zauberhaftes Liebesduett, dessen Schmelz von Brünings Gesang ebenso befeuert wird wie von Krugs Worten. Überhaupt gelingt beiden in ihren Zweier- wie Solonummern, die dramaturgisch gut verzahnt sind, ein organisches Programm, das jedem Künstler Wirkungsfreiheit lässt. Gesangstechnisch hatte Uschi Brüning schon immer die Nase vorn. Ihr Blues „Black Coffee“ strotzt geradezu vor Charisma. Wenn es um Prominenz und Witz geht, ist Manfred Krug der Star. „Sie hat sich im Gegensatz zu mir nie mit Schauspielerei verzettelt“, scherzt er. Und sich im Gegensatz zu seinem bei Standards wie „Mame“ unfreiwillig komisch klingenden „deutschen“ Englisch eine komplett akzentfreie Aussprache draufgeschafft. Ob auf Englisch oder Deutsch, die Profis harmonieren einfach. Bei der überverspielten Version von „Baby, It’s Cold Outside“ oder ihrem rührenden Abschiedslied „Adé“. Als Zugabe zögen sie so einen stillen, bescheidenen Song lauten Liedern vor, sagt Manfred Krug. „Die machen die Leute nur gierig, dann wollen sie gar nicht mehr nach Hause.“ Hilft nüscht, ist längst passiert.

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