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Wie die PDS/Die Linke ihre Rolle im vereinten Deutschland fand: Ein Plätzchen im System

Thorsten Holzhauser folgt dem gewundenen Weg der SED-Nachfolgepartei.

Mit der Integration der PDS in das politische System der Bundesrepublik Deutschland beschäftigte sich Thorsten Holzhauser von der Universität Mainz in seiner geschichtswissenschaftlichen Dissertation. Im Dezember 1989 benannte sich die SED zu „SED – Partei des Demokratischen Sozialismus“ um; man verstand sich als Produkt des revolutionären Herbstes. Im Februar 1990 verzichtete man auf das Kürzel SED und nannte sich nur mehr PDS. Dennoch kamen vor allem aus der CSU Forderungen nach einem Verbot dieser Partei. Während man mit Postkommunisten aus anderen Ländern wie Michail Gorbatschow weniger Probleme hatte, blieb die von der Union geführte Bundesregierung bei der SED-PDS weiterhin misstrauisch, was deren Reformierbarkeit betraf.

Nanu - die gibt's ja noch

Lothar Bisky und Gregor Gysi prägten in der Öffentlichkeit das Bild der neuen, alten Partei, deren vorheriges Spitzenpersonal nur wenig von Reformen gehalten hatte. Während man im Westen die Abwicklung dieser Partei erwartete und erstaunt war, als dies nicht geschah, behielten einige alte Genossen den „ostalgischen“ Weg bei. Beispielsweise die Mitglieder der Kommunistischen Plattform um deren Jungstar Sahra Wagenknecht, die noch 1992 die „beeindruckende“ Modernisierungspolitik Stalins und Ulbrichts lobte. Lediglich der Opportunismus bei deren Nachfolgern sei tödlich gewesen für die sozialistische Gesellschaftsordnung, meinte sie.

Nicht das, aber besonders Gregor Gysi mit seiner medialen Präsenz und intellektuellen Unterhaltsamkeit trug zur Akzeptanz der PDS in breiten Schichten der Bevölkerung bei. „Die PDS selbst fand sich nach der Wiedervereinigung als Außenseiter in einem ihr fremden politischen System wieder und schwankte zwischen Ablehnung und dem Bemühen um Anerkennung“, schreibt Holzhauser.

Im Westen von den Parteien und Wählern weitgehend abgelehnt, wurde die PDS zu einer regionalen Partei im Osten, die dort viel Zuspruch erhielt und 1994 in Sachsen-Anhalt mit dem „Magdeburger Modell“ erstmals eine SPD-Minderheitsregierung „tolerieren durfte“. Das war der Durchbruch zu späteren rot-roten Koalitionen auf Landesebene – und ein Tabubruch. Er führte zur „Rote-Socken-Kampagne“ der CDU/CSU bei der Bundestagswahl im selben Jahr.

Statt Revolution Integration

Die Integration der PDS blieb ein großer Streitpunkt in der deutschen Politik. Sie wurde weiterhin von vielen als kommunistisch und extremistisch beschimpft. Ausgerechnet mit Oskar Lafontaine als SPD-Vorsitzendem öffneten sich die Sozialdemokraten nach 1995 ein wenig gegenüber der vorher geschmähten PDS.

„Wo die Partei an der Macht teilhatte, in Magdeburg, Schwerin und in Berlin, war von Revolution und Systembruch nicht mehr viel zu spüren.", schreibt Holzhauser und beschreibt den Weg der PDS zum Establishment. Im Westen wurde sie weiterhin kaum gewählt und flog 2002 als Fraktion aus dem Bundestag. Sie war dort nur noch mit zwei Einzelabgeordneten präsent.

Die West-Linke tat sich immer noch schwer mit der ehemaligen Staatspartei. Deshalb war es ein langer, nicht immer einfacher und schon gar kein gradliniger Weg bis hin zur Gründung der Linkspartei 2007. Diese Möglichkeit ergab sich erst durch die rot-grüne Agendapolitik unter Bundeskanzler Schröder. Im Westen entstand kurz danach die WASG aus enttäuschten SPD-Mitgliedern, Gewerkschaftern und sonstigen Westlinken.

Schröder "hilft" Lafontaine

Schröder rief 2005 nach der verloren Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Bundestagsneuwahlen in der Hoffnung aus, dass bis dorthin die Organisation von linken Kräften noch weit genug gediehen sei, und machte sich dabei „ungewollt zum ‚Geburtshelfer‘ einer gesamtdeutschen Linkspartei“. Lafontaine entschloss sich, aus der SPD aus- und in die WASG einzutreten, um gemeinsam mit Gysis PDS ein Wahlbündnis einzugehen. Westlinke traten auf der PDS-Liste an und die „PDS. Linke Liste“ gelangte mit fast neun Prozent in den Bundestag. Erst danach wurde der schwierige Prozess angegangen, eine gemeinsame neue Partei namens „Die Linke“ zu gründen, „die noch heterogener und zudem innerparteilich zerstrittener wirkte, als es die PDS jemals gewesen war“, so Holzhauser.

Er resümiert: „Die bundesdeutsche Demokratie hat die Integration der PDS überlebt und diese war zu keiner Zeit jene Gefahr, für die sie viele hielten. In Wahrheit war ihr politisches Führungspersonal weniger darauf bedacht, das System zu stürzen, als einen eigenen Platz in diesem System zu finden.“

Ordnungskraft im Osten

Heutzutage wird die Linkspartei vor allem im Osten als Teil der Obrigkeit angesehen, und genau dort bildete sich eine neue Kraft am rechten Rand. Sie hat die Rolle der PDS/Linken als Sprachrohr der „Abgehängten“ übernommen. Teile der Linken um Lafontaine/Wagenknecht versuchen, ihre Rolle mit ähnlichen Parolen zurückzugewinnen, stoßen aber auf großen Widerstand bei ihren innerparteilichen Gegnern.

Mit dem Versuch, den eigenen Platz im System zu finden, ohne es zu sprengen, „unterscheidet sich die ‚Nachfolgepartei‘ von den vielen rechtsextremen Parteien, die sich im Laufe der bundesdeutschen Geschichte gegründet, radikalisiert und wieder aufgelöst haben. Und sie unterscheidet sich von ihren kommunistischen Vorläufern, die von der ‚Diktatur des Proletariats‘ redeten und die Diktatur der Partei anstrebten“, so Holzhauser, dem ein kundiger Blick hinter die Kulissen gelungen ist.

Thorsten Holzhauser: Die „Nachfolgepartei“. Die Integration der PDS in das politische System der Bundesrepublik Deutschland 1990–2005. Verlag De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2019. 482 S., 69,95 €.

Ernst Reuß

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