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Roman: Pierangelo Maset: Laura oder Die Tücken der Kunst

Züngeln und Klüngeln: Eine unentschlossene Studentin gerät ins Getriebe des Kunstmarktes und in erotische Ausnahmesituationen. Pierangelo Maset versucht sich an einer Kunstbetriebssatire.

Die Literaturbetriebssatire ist ein beliebtes Genre. Das wundersame Kunstwesen aber, um ein Wort von Thomas Kapielski umzukehren, ist erzählerisch auch nicht weniger ergiebig als der Schreibbetrieb. Pierangelo Maset, Performancekünstler, Schriftsteller, Musiker und Professor für Kunst und ihre Vermittlung in Lüneburg, weiß das aus eigener Anschauung. Er beamt uns zurück in eine Zeit, als der Kunstmarkt auf erstaunliche Weise zu boomen begann, in die achtziger Jahre. Wer Masets skurrilen Erstling „Klangwesen“ gelesen hat, kennt auch schon einen Teil des Personals seines neuen Romans „Laura oder Die Tücken der Kunst“.

Laura Vermeer, nun zur Hauptfigur aufgestiegen, ist eine unentschlossene Studentin, die zufällig ins Getriebe des Kunstmarktes und in erotische Ausnahmesituationen gerät. Protegiert wird sie dabei von der Kunstmanagerin Ruth Netzer. Laura schafft es nach wenigen Jahren, sich – ohne große Kenntnisse der Künste – einen klangvollen Namen als Galeristin zu machen. Das ist kein Wunder: Diese Branche erscheint nämlich nicht weniger windig als das Spekulationswesen; es geht darum, schnellstmöglich in zukunftsweisende Märkte zu gehen (Videoinstallationen, Malerei etc.), Kurse zu beobachten, geschickt zu investieren, Aktien zu horten – und rechtzeitig wieder abzustoßen.

Wo Kunst, Geld und Geschäftssinn zusammenkommen, ist aber auch die Intrige nicht fern. Laura erfährt das am eigenen Leib, als sie sich den Avancen eines schmierigen Kunsthändlers verweigert. Ihr Schützling und Geliebter, der amerikanische Künstler Bob, bekommt das indirekt zu spüren – sein rasanter Aufstieg zum internationalen Star wird rasch abgebremst und er selbst auf unsanfte Weise ins Aus manövriert.

Die Sexualität könnte der Gegenpol zum bösen Macht- und Kunstspiel sein, aber die wird ebenfalls als Währungsmittel eingesetzt. „Die Männer begehrten meinen Körper oder Teile davon, doch der war wie ein Safe, dessen Zahlenkombination niemandem mehr einfiel.“ Nur manchmal gibt es für Laura Momente reiner Leidenschaft, etwa mit Bobs Jugendfreundin: „Monica umarmte mich. Schon spürte ich ihre Zunge an meinem Mund und konnte ihre unverfälschte Zärtlichkeit nur erwidern.“

Man ahnt schon, dass nicht nur die Kunst, auch die Literatur so ihre Tücken hat. Pierangelo Maset kämpft zwar tapfer, aber doch oftmals vergebens mit ihnen. Hätte man die Ambition, alle Stilblüten in diesem Roman anzumalen, alle pseudoklugen Sentenzen durchzustreichen, alle Manierismen zu markieren – das Buch gliche einem wilden abstrakten Kunstwerk.

Ein paar Beispiele. Zu „Pablo“ fällt der Erzählerin ein, dass er selbst an einem alten Gasherd das „Ewig Weibliche“ wiederfand – „dieser faustische Künstler überführte female Energien in eine ununterbrochen ausufernde und richtungslose Produktion“. Klar, dass Künstler „in erster Linie an ihre Werke denken, das ganze Drumherum ist für sie nur unter größtem Nervenaufwand zu bewältigen“. Nerven braucht es auch für manch erschütternde Erkenntnis: „Die Tragik allen Lebens besteht darin, dass das ältere Alter immer das gegenwärtige ist.“ Nun je, „nichts konnte bleiben auf diesem Planeten, und vieles verschwand, bevor es zur Blüte kam“.

Aber zum Glück gibt es dann noch die Kontingenz, die einen aus allzu müßigem Grübeln erretten kann, denn „wie immer war die Welt die Gesamtheit aller möglichen Ereignisse“. Was aber machen, wenn einen „unsichtbare Ketten“ fesseln und das Leben „aus einer Kette beziehungsloser Ereignisse“ besteht? Wie wär’s mit ein bisschen Sport: „Seit meiner Jugend hatte ich nicht mehr Federball gespielt, doch solche Tätigkeiten verlernt man nicht vollständig.“ Oder halt umziehen, nach Hamburg – „die Stadt der Frische und der Pfeffersäcke“. Und zum Verreisen steigen wir nicht etwa ins Flugzeug oder aufs Schiff, sondern in eine „fliegende Aluminiumröhre“ oder auf „das schwimmende Metall“.

Beim Lesen solch forcierten Originalitätsdrangs möchte man das Buch, das durchaus unterhaltsame Passagen und lohnende Einblicke in den Kunstbetrieb bietet, lieber aus der Hand legen. Aber wir begleiten die Heldin weiter durch die Neunziger. Zuweilen hält Laura Vermeer den ganzen falschen Trubel nicht mehr aus und reagiert mit körperlichem Unbehagen. Anders gesagt: Sie kotzt sich, nicht gerade zur Freude ihrer Mitmenschen, aus.

„Er öffnete ein Fenster, um den höchst unangenehmen Geruch zu vertreiben, der deshalb kaum auszuhalten ist, weil Material, das sich vorher in einem Wesen befunden hat, nun wieder in der gemeinsamen Außenwelt vorkommt.“ Wenn die Innenwelt sich derart in die Außenwelt entleert, ist das tatsächlich nur schwer zu ertragen. Das gilt nicht zuletzt für einige literarische Ergüsse.

Pierangelo Maset: Laura oder Die Tücken der Kunst. Roman. Kookbooks, Berlin 2007. 193 Seiten, 19,90 €.

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