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Büste Francos, gesehen im November 2019.

© REUTERS

Spanien auf dem Weg zur Moderne: Francos Mann für die Reform

Anna Catharina Hofmann erklärt, wie es dem Regime gelang, die Macht in Spanien zu behalten und das Land dennoch zu modernisieren.

Der Nachruhm von Diktatoren erreicht seine Halbwertzeit, wenn sie aus ihren Mausoleen verbannt und kurzerhand „umgebettet“ werden, wie Stalin 1961 aus dem Lenin-Mausoleum an die Kreml-Mauer und Francisco Franco 2019 aus dem „Tal der Gefallenen“ in ein Familiengrab. Dass der spanische Caudillo 1975 als dienstältester Diktator Europas starb, hat seinem Nachruhm keine längere Dauer verliehen. Vielmehr urteilen die meisten Historiker, sein als „faschistisch“ etikettiertes Regime sei trotz seiner langen Dauer ein anachronistisches Überbleibsel im postfaschistischen Europa gewesen, sein Zusammenbruch aufgrund des sozioökonomischen Wandels der modernen Welt unvermeidlich.

Dem widerspricht die in Freiburg promovierte Historikerin Anna Catharina Hofmann in ihrer für die Buchausgabe überarbeiteten Dissertation über „Francos Moderne“ als technokratische Erneuerung, die das Überleben der Diktatur unter den Demokratien des Westens ermöglicht habe. Danach sah es beim Zusammenbruch der faschistischen Vormächte Deutschland und Italien gar nicht aus, als die Vereinten Nationen auf ihrer ersten Vollversammlung Spanien als „faschistisches Regime“ verurteilten und einen internationalen Boykott empfahlen. Das Land wurde deshalb weder im Marshallplan berücksichtigt noch in die europäischen und internationalen Organisationen aufgenommen.

Die Isolation endet

Erst auf dem Hintergrund des Koreakriegs schien den USA die Einbindung Spaniens in den antikommunistischen westlichen Block geboten. 1950 bewilligte der Kongress einen Millionenkredit und entsandte amerikanische study teams für eine militärische und ökonomische Zusammenarbeit. Das Ergebnis war ein Vertrag von 1953, „in dem die USA Spanien gegen die Abtretung von Luft- und Flottenstützpunkten umfangreiche Militär- und Wirtschaftshilfen gewährten“. Bereits 1952 konnten die Lebensmittelrationierung abgeschafft und Einfuhrbeschränkungen für Rohstoffe und Maschinen aufgehoben werden, die das Land in seiner freiwillig-unfreiwilligen Autarkie fixiert hatten. Seine Isolierung hatte bewirkt, „dass eines der Hauptziele des 1939 errichteten Franco-Regimes nicht erreicht worden war, hinter einer Mauer aus bilateralen Handelsverträgen, Importrestriktionen und einem System multipler Wechselkurse das Land aus eigener Kraft zu industrialisieren und weitgehend von der Außenwelt unabhängig zu machen“ .

Kooperation gesucht

Als das Land 1956 auch noch durch eine Frostwelle gelähmt und von Studentenunruhen erschüttert wurde, sah sich das Regime genötigt, seine Aufnahme in die OEEC (European Economic Cooperation) zu beantragen, die ihre Bedenken gegen die Franco-Diktatur ebenfalls zurückstellte und in einem Bericht zur spanischen Wirtschaftslage radikale Änderungen anmahnte: Aufgabe der inflationistischen Wirtschaftspolitik, Abwertung der Peseta, Liberalisierung des Außenhandels, weniger Staatseingriffe und Anreize für ausländische Investoren.

Es war diese Agenda, die der erst 35-jährige Professor Laureano Lopez Rodó als Mitglied im Obersten Rat für Wissenschaftliche Forschung aufnahm, um eine „Reform der Staatsverwaltung“ einzufordern. Auf Initiative des Präsidentschaftsministers und späteren Regierungschefs, des 1973 mitten in Madrid ermordeten Franco-Vertrauten Carrero Blanco, wurde er zum Chef eines Technischen Generalsekretariats zur Durchführung dieser Reform berufen, die er mit Unterstützung der Weltbank verwirklichte.

Gerüchte um "Opus Dei"

Dieser Aufgabe blieb er durch die Ausarbeitung dreier Vierjahrespläne zur ökonomischen – später auch sozialen, politischen und ökologischen – Entwicklung Spaniens treu, die ihn bis in ein Ministeramt trugen und ihn zur Galionsfigur der technokratischen Erneuerung des Regimes machten. Mit taktischem Geschick schaltete er den Widerstand der traditionellen Falange und der faschistischen Einheitsgewerkschaft aus, um sie anschließend in seine Politik wieder einzubinden. Es gelang ihm, Verdächtigungen, als Mitglied des katholischen „Opus Dei“ eine „heilige Mafia“ gegen die Falange zu begünstigen, zu zerstreuen, als eine Korruptionsaffäre um Opus Dei die Regierung erschütterte. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort: Das Opus Dei ist keine politische Partei“, zerstreute er den in Francos Regime schwerstwiegenden Verdacht der Rückkehr zur Parteiendemokratie.

Die Parteien kamen doch

Franco, Blanco und er selbst blieben bis zuletzt dem autoritären Konzept einer „organischen Demokratie“ mit beschränkter Partizipation treu, aber selbst deren Zulassung wurde zum Spaltpilz des Franquismus, an der das Regime nach Francos Tod scheiterte. Anna Catharina Hofmann beschreibt Erfolg und Scheitern von „Francos Moderne“ anhand der Biografie Rodós als „personengeschichtlichen Ansatz“. Das macht ihr Buch zu einer gut lesbaren Erklärung für das lange Leben des postfaschistischen Franquismus. Ihre besondere Pointe: Nach Francos Tod und der Rückkehr der Parteiendemokratie schloss sich Rodó der „Volksallianz“ Fraga Iribarnes an. Als deren Abgeordneter schied er nach Annahme der neuen Verfassung 1978 aus dem politischen Leben aus und schrieb seine Memoiren. In einem Brief beklagte er 1992, dass „wir uns heutzutage in einer erbärmlichen Parteienherrschaft befinden“.

Anna Catharina Hofmann: Francos Moderne. Technokratie und Diktatur in Spanien 1956–1973. Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 464 S. m. 53 Abb., 42 €.

Hannes Schwenger

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