
© Henrik Ohsten
Mads Mikkelsen in „King’s Land“: High Noon in der dänischen Heide
Mads Mikkelsen spielt in dem historischen Drama „King’s Land“ einen Kriegsveteranen, der es mit der Natur aufnimmt. Und sich dabei auch gegen den König von Dänemark stellt.
Stand:
Die Besiedelung des dänischen Festlandes war kein mythisches Projekt, anders als etwa die Eroberung des amerikanischen Westens. Allein schon, weil zwischen Ost- und Nordsee gerade mal 450 Kilometer liegen.
Der Landnahme stand auch keine indigene Bevölkerung entgegen – lediglich eine unwirtliche Heidelandschaft, die für eine Kultivierung im 18. Jahrhundert nahezu unbrauchbar war und vor allem Banditen Unterschlupf bot.
Für Ludvig Kahlen, einen ehemaligen Offizier der dänischen Armee, bedeutet das Brachland jedoch die vielleicht letzte Chance auf gesellschaftliche Anerkennung.
Kahlens Weg führt am Anfang von „King’s Land“ aus einem Armenhaus für Kriegsveteranen in den Palast von Friedrich V., wo der Soldat in seiner Lumpenuniform den Abgesandten des Regenten ein Angebot unterbreitet. Das Siedlungsrecht auf Jütland, um die Heide in eine Kulturlandschaft zu verwandeln, in der später Siedlungen entstehen können – alles bezahlt mit seiner kargen Militärpension. Als Gegenleistung erhält er im Erfolgsfall einen Adelstitel. Da die Urbarmachung der widerspenstigen dänischen Heide ein Lieblingsprojekt des Königs ist, erteilen die spöttischen Beamten dem armen Irren die Erlaubnis.
Mads Mikkelsen spielt einen Western-Archetypus
Für Regisseur Nikolaj Arcel hat die Besiedlung des „dänischen Westens“ tatsächlich eine mythische Dimension. Der Mensch verliert sich in dieser überwältigenden Landschaft. Kahlen kauert bei Wind und Wetter am Boden, prüft die staubige Erde und die trockene Vegetation, kultiviert das Land mit der Asche der verbrannten Pflanzen.
Die Landschaft fungiert in „King’s Land“ nicht bloß als mythischer Hallraum, sie verfasst ein Ökosystem. Kameramann Rasmus Videbæk fängt dessen Kargheit in grandiosen Totalen ein.
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Das Individuum, das es mit der Natur und den Mächtigen aufnimmt, ist ein klassischer Western-Archetypus – und ähnlich überhöht inszeniert Arcel auch seinen Protagonisten. Im dänischen Kino gibt es derzeit nur einen Schauspieler, der dieses Rollenprofil ausfüllen kann. Mads Mikkelsen, der für die Rolle im vergangenen Jahr mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, spielt Ludvig Kahlen, eine nahezu vergessene Figur der dänischen Geschichte, mit einer sturen Selbstgerechtigkeit, deren Ursachen der deutsche Titel leider völlig unterschlägt.
Kahlen ist ein bastard, das Kind einer einfachen Hausangestellten und eines Großgrundbesitzers. Seine Ablehnung der herrschenden Klasse ist sein Antrieb, gegen jede Chance seinem sozialen Schicksal zu entkommen. Die Heide stellt als vermeintlich rechtsfreier Raum die Utopie einer anderen Gesellschaftsordnung dar.
Der Soldat verbündet sich mit der Kirche
Kahlen schließt eine Allianz mit dem örtlichen Priester (Gustav Lindh) und nimmt sich dafür des jungen Bauernpaares Ann Barbara (Amanda Collin) und Johannes (Morten Hee Andersen) an, die sich vor dem sadistischen Lehnsherren Frederik Schinkel (Simon Bennebjerg) in der Heide verstecken. Zusammen mit dem Roma-Mädchen Anmai Mus (Melina Hagberg), dessen Hautfarbe den Aberglauben der Landbevölkerung weckt, bilden sie eine Art Ersatzfamilie.

© Henrik Ohsten
„Königshaus“ nennt Kahlen sein Herrenhaus, um die Legitimation seines Territoriums zu markieren; doch das royale Recht zählt an diesem Außenposten der Zivilisation nicht. Hier führt der königliche Abgesandte Schinkel, der mit zunehmend kindischer Verzweiflung darauf insistiert, „De Schinkel“ angesprochen zu werden, sein eigenes Regime, mit gnadenloser Härte – obwohl das Land genug Raum für alle bietet. Als er Kahlens Helfer Johannes tötet, muss der Veteran realisieren, dass der Krieg an den Grenzen des Königreichs die Wildnis längst erreicht hat.
Arcels Film basiert auf dem historischen Roman „Kaptajnen og Ann Barbara“ von Ida Jessen, dessen Titel auch das eigentliche Interesse von „King’s Land“ verrät. Ann Barbara und Kahlen sind beide Opfer der „Bastard“-Verwandtschaftsverhältnisse im dänischen Feudalsystem: Die junge Frau wurde zur Gesetzlosen, weil sie sich – anders als Kahlens Mutter – ihrem „Hausherren“, Schinkel, verweigerte. Und so tritt, je stärker die Gewalt überhandnimmt, die Rachegeschichte deutlicher in den Vordergrund. Nur ist es diesmal nicht der Kriegsheimkehrer, der auf blutige Rache aus ist.
Diese unausgesprochene Verbindung zwischen Ann Barbara und dem wortkargen Kahlen verleiht den Konflikten und Figuren in „King’s Land“ ein Profil, das über die bloßen Western-Motive hinausgeht.
Mikkelsen ist, im Gegensatz zu einem Kevin Costner, der sich schon öfter in ähnlich kernigen Rollen inszeniert hat, kein romantischer Held. Seine undurchsichtige Mimik bewahrt ein Geheimnis, für das die reine Genre-Erzählung keinen Platz hat. Dafür sind Stars da. Auch wenn sich am Ende die von Amanda Collin gespielte Ann Barbara als eigentliche Heldin erweist.
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