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Shuji Hijiya: „Innige Landschaft“, 1980

© Shuji Hijiya

Maler im Verborgenen: Der Nachlass von Shuji Hijiya in der Galerie Mutare

Ein Leben lang perfektionierte der japanische Künstler seine Bilder, das Atelier in Berlin hielt er verschlossen. Nun sind die Werke erstmals seit 50 Jahren zu sehen.

Von Angelika Leitzke

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Eine Frau streut Blumen, sie erinnert an eine Figur aus Botticellis Gemälde „Primavera“. Ein anderes Bild zeigt einen mit Obst beladenen Tisch wie aus einem Stillleben von Cézanne, Arnold Böcklins berühmte „Toteninsel“ verwandelt Shuji Hjiya in eine fantastisch schillernde Landschaft.

Solche Déjà-vu-Erlebnisse stellen sich in der Shuji Hjjiya in der Galerie Mutare in Berlin-Charlottenburg ein, die einen Künstler präsentiert, der sich dem Publikum verweigerte: Es ist die erste Einzelausstellung von Hjjiya, der 2018 in Berlin starb.

Shuji Hijiya:. „Toteninsel“, 2005-2010

© Shuji Hijiya (keine VG-Bild-Kunst)

1942 im damals japanisch besetzten China geboren, kehrte Hjijya 1946 mit der Familie in das kriegszerstörte Japan zurück. Er begann ein Studium der Soziologie in Tokio und ging dann nach Yokohama, um sich autodidaktisch der Malerei zu widmen. Bewusst umging er die traditionelle Kultur seiner Heimat und orientierte sich an westlicher Kunst.

Mitte der 1960er Jahre kam Hjijya nach Europa, war Gasthörer an der Wiener Kunsthochschule und zog sich schließlich in die Abgeschiedenheit eines Domizils im evangelischen Jugendzentrum am Großen Plöner See zurück, wo er Jahrzehnte arbeitete.

Faszination fürs Fachwerkhaus

Zu Lebzeiten stellte er nur ein einziges Mal aus: 1973 in der Galerie Schaumann in Essen. In dieser Zeit gab es auch einen Beitrag für die Jahreseditionen des Kunstrings des Museums Folkwang in Essen. Danach verschwand der Maler aus der Öffentlichkeit mit der Begründung, sein Stil sei noch nicht ausgereift.

Nie sprach er über sein Schaffen, entsprechend der japanischen Mentalität, die emotionale Äußerungen negativ bewertet.

Shuji Hijiya: „Alles geben die Götter“, 2003-2007

© Shuji Hijiya

Hijiya adaptierte nicht nur berühmte Motive der europäischen Kunst, sondern ließ sich auch von der Umgebung der Holsteinischen Schweiz inspirieren. Deren Seen und Hügel transformierte er zu abstrakten Wellenformationen von irisierenden Farben oder reihte die heimischen Baumstämme als exotische Bambusrohre in Rottönen aneinander, spiegelte sie über eine horizontale Achse. Der Mensch fehlt, jeglicher Tourismus wird ausgeblendet.

Ein Thema wurden die Fachwerkfassaden von Schleswig-Holstein, die er akribisch nachzeichnete. Das Fenster wird hier zum Sujet, nicht die Darstellung eines intimen Interieurs mit Fensterausblick, wie es die deutschen Romantiker forcierten. Realistische Porträts aus dem Bekanntenkreis, die Anleihen bei der Pop Art nehmen, ergänzen die Schau bei Mutare.

Kühnheit der Fläche

Hijiya vollzog nicht nur mit seiner Biografie einen Brückenschlag zwischen Ost und West, sondern auch in seiner Kunst. Denn nachdem sich Japan Mitte des 19. Jahrhunderts dem Handel mit Europa und den USA öffnen musste, gelangten japanisches Kunsthandwerk und japanische Kunst in den Westen und stimulierten besonders den französischen Impressionismus, Postimpressionismus, Jugendstil und Art Nouveau.

Merkmale des zuerst verächtlich als Japonismus bezeichneten exotischen Einflusses waren die Betonung von Linie und Fläche, kühne Draufsicht, Verzicht auf Zentralperspektive – sie tauchen auch in diversen Gemälden von Hijiya auf.

Nach seinem Tod sichteten seine Witwe, die deutsche Japanologin Irmela Hijiya-Kirschnereit, Professorin an der FU Berlin, und der Schriftsteller Christoph Peters, der sich intensiv mit der japanischen Kultur auseinandersetzt, den Nachlass. Dessen Betreuung übernahm Michaela Schubert als Inhaberin der Galerie Mutare. Das in Deutschland entstandene Œuvre umfasst etwa 500 Werke, die Preise liegen zwischen 2400 und 4000 Euro.

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