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Julianne Moore und Mia Wasikowska.

© MFA

"Maps to the Stars" von David Cronenberg: Abrechnung mit Hollywood

Feine, fiese Filmfamilie: Der Kanadier David Cronenberg entwirft in „Maps to the Stars“ ein Hollywood mit lauter kaputten Typen. Mit glänzenden Schauspielern, versteht sich - allen voran Julianne Moore.

Es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass die Karriere von Hollywood-Schauspielerinnen ebenso strengen biologischen Beschränkungen unterworfen ist wie die von Leistungssportlern: wer die 50 überschreitet, begibt sich in einen Strudel aus wilder Verzweiflung und enttäuschter Hoffnung. Wenn man David Cronenbergs „Maps to the Stars“ glauben darf, hat sich daran auch 64 Jahre nach „Sunset Boulevard“, Billy Wilders Meisterwerk über den verblassten Ruhm und die Lebenslügen einer ehemaligen Stummfilmdiva, kaum etwas geändert.

Im Gegensatz zu Wilders Norma Desmond hat sich Havana Segrand (Julianne Moore) nicht in die Scheinwelt eines Einsiedlerdaseins zurückgezogen, sondern ist in der Branche noch bestens vernetzt. Um an die vermeintliche Rolle ihres Lebens zu kommen, aktiviert sie alte Kontakte, fordert Gefallen ein und geht mit Produzenten ins Bett. „Das könnte wirklich eine zweite Chance sein“, fleht sie. Sie weiß, dass es eher ihre letzte ist.

Schon Kinderdarsteller packt die Alterspanik

Die Angst vor dem abrupten Karriereende ist allerdings kein rein weibliches Phänomen – und erst recht keine Frage des Alters. Benjie Weiss (Evan Bird) ist gerade einmal 13, von seiner ehrgeizigen Mutter (Olivia Williams) wurde er zum arroganten Kinderstar getrimmt. Bei den Verhandlungen für die Fortsetzung seines Erfolgsfilms „Bad Babysitter“ hält er – zumindest solange seine Drogenwerte unauffällig bleiben – alle Trümpfe in der Hand; doch schon dass sein sechsjähriger Nebendarsteller mehr Lacher kriegt als er, stürzt ihn in düsterste Existenzängste. Verbunden sind Havana und Benjie durch seinen Vater Stafford Weiss (John Cusack), einem New-Age-Guru und Autor von Selbsthilfe-Ratgebern, bei dem Havana in Therapie geht. Mit einer Mischung aus Psychoanalyse und Massage hilft er ihr, das „magische Kind“ in sich zu finden und den sexuellen Missbrauch durch ihre Mutter, die jung gestorbene Schauspielerin Clarice Taggart, zu verarbeiten.

In diese Konstellation aus weitgehend vertrautem Filmbusiness-Personal platzt Agatha (Mia Wasikowska) hinein, eine junge Frau mit geheimnisvoller Vergangenheit und eindrucksvollen Brandnarben. Sie trifft im Reisebus aus Jupiter, Florida, ein – genauso gut aber könnte sie tatsächlich von einem anderen Planeten stammen. Was sie nach Hollywood treibt, ist unklar; nach ihrer Ankunft lässt sie sich zunächst zu dem Ort bringen, an dem einst Benjies abgebranntes Elternhaus stand. Gleichzeitig ist sie auf mysteriöse Weise von Clarice Taggart besessen, aus deren bekanntestem Film sie fortwährend zitiert.

Hollywood macht die Lüge zum Geschäftsmodell

Agatha ist der Schlüssel zu dem dunklen Geheimnis, das sich im Zentrum des Films auftut. Und Hollywood, wo die Lüge zum Geschäftsmodell gemacht wurde und die Geister der Vergangenheit womöglich besonders präsent sind, ist ein reizvoller Schauplatz für eine mystische Familientragödie. Wäre da nur nicht das enge Korsett der denn doch klischeehaften Showbiz-Satire, die den Rahmen dafür bietet. Es mag daran liegen, dass Autor Bruce Wagner sein Skript jahrzehntelang in der Schublade hatte, bis es endlich zur Realisierung kam. Auch wenn es nun mit Verweisen auf Facebook und Twitter, auf Ryan Gosling und Anne Hathaway an die Gegenwart angepasst wurde, erscheint doch das meiste sattsam bekannt und oftmals gesehen. Zudem fehlt dem kanadischen Kultregisseur Cronenberg, der erstmals überhaupt in Los Angeles gedreht hat, jener Insiderblick, der dem Film vielleicht hätte Schärfe verleihen können.

Während „Maps to the Stars“ als böse Hollywood-Parodie zahm und zahnlos bleibt, verhindert die satirische Distanz, dass die Tragödie emotional zur Entfaltung kommt. So mühen sich die Schauspieler redlich, ihren eindimensionalen Figuren Leben einzuhauchen, allen voran Julianne Moore, die für ihre schonungslose Performance in Cannes zu Recht mit dem Preis als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Sie kann es sich leisten, diese Rolle angstfrei zu spielen, weil sie zu den die Regel bestätigenden Ausnahmen gehört: Auch mit über fünfzig muss sie keineswegs über den Mangel an Engagements in faszinierenden Filmen klagen. „Maps to the Stars“ zählt allerdings eher nicht dazu.

In Berlin im Cinemaxx, Eiszeit, Filmkunst 66; OV im Cinestar SonyCenter, OmU im Babylon Kreuzberg, Eva, Hackesche Höfe, FaF, International, Kulturbrauerei und Moviemento

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