
© dpa/Sven Hoppe
Medien, Anwälte, Mächte: Kein Rammstein ohne Rammbock
Wo wird die Unschuldsvermutung in der Rammstein-Affäre festgemacht: Bei den Männern oder bei den Frauen?

Stand:
Medienanwälte vermitteln der Öffentlichkeit gerne das Selbstbild der tapferen wie uneigennützigen Heroen, die ihre Schützlinge gegen die bösen Medienmächte verteidigen.
Das aktuellste und dabei krasseste Beispiel sind die Vorgänge um Rammstein. Der Kopf der Band, Till Lindemann, hat sich der Hilfe einer der prominentesten Kanzleien im Land, der Kanzlei Schertz/Bergmann versichert.
Einschüchterung
Die Kanzlei hat gleich scharf geschossen. Die von mehreren Frauen erhobenen Vorhaltungen in Bezug auf eine angebliche Betäubung, um sexuelle Handlungen vorzunehmen, seien „ausnahmslos unwahr“. Was hieran trotz verschiedenster unterschiedlichster recht präzisen Schilderungen der Frauen im Detail unwahr sei, blieb ein Geheimnis der Medienanwälte. Es ging ihnen um welche Wahrheit auch immer, auf jeden Fall ging es ihnen um diesen Effekt: Einschüchterung.
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Medien, die voneinander abschreiben, behaupten statt beweisen, ja, der Journalismus hat seine Dunkelzone. Und seine Grauzone, die Verdachtsberichterstattung. Wie viel Spekulation darf sein, wie viel Andeutung, wie viel Mutmaßung? Da ist nur wenig in Stein gemeißelt, die Grenzziehung wird täglich neu vermessen.
Schertz/Bergmann gehen einen Schritt weiter, sie wollen quasi die Recherche verbieten, indem sie diese für überflüssig erklären. Alle Vorwürfe sind unwahr.
Medienanwälte verstehen sich als Torwächter des Sittlichen, als Tugendwächter des Anständigen, als Achtsamkeits-Beauftragte in einer enthemmten Medienmeute.
Noch Fragen? Wenn alle Mutmaßungen unwahr sind, was ist dann wahr? Das kann nur die journalistische Recherche erweisen. Denn auch darum geht es, um die Unschuldsvermutung.
Es braucht wenig Phantasie für die Behauptung, dass die Fans von Rammstein, aber nicht nur die, ihre Unschuldsvermutung bei Männern ansetzen, denen Machtmissbrauch und sexuelle Nötigung vorgeworfen werden. Diese Unschuldsvermutung wird durch das „Informationsschreiben“ der Anwälte maximiert.
Und umso geringer fällt dann die Unschuldsvermutung bei Frauen aus, denen vorgeworfen wird, ihre Geschichte nur aus Wichtigtuerei und Geltungssucht zu erzählen. Auch dieses Missverhältnis zahlt auf das Anwaltskonto ein. Und deswegen braucht es Recherche. Für die Frauen, für die Männer, für die Medien, für die Medienanwälte.
Es liegt eine Gegendarstellung der Kanzlei Schertz/Bergmann zu diesem Artikel vor, die hier eingesehen werden kann.
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