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Kultur: Mut zur Brücke

„Spectrum Concerts“ gibt es jetzt auch in New York

Irgendwann wird es auf der „Noodle- Party“ im New Yorker East Village, mit der die Musiker von „Spectrum Concerts“ihr erfolgreiches Debüt in der Carnegie Hall begießen, ganz still und ernst. Dann spielt Antoine Tamestit die Chaconne von Bach in einer Fassung für Viola, mit einer Klangglut und sprachkräftigen Rauheit, die alle Violinvirtuosität in den Schatten stellt.

Seit fast 20 Jahren gelingt dem aus Boston stammenden Cellisten Frank Dodge das Kunststück, ganz ohne staatliche Subventionen in Berlin eine höchst anspruchsvolle Kammermusikreihe zu organisieren. Weil es bei den „Spectrum Concerts“ immer auch um den Dialog von Neuer Welt und altem Europa geht, war es nur folgerichtig, in New York eine Dependance des mutigen Kulturunternehmens zu gründen: In der 650 Zuhörer fassenden Zankel-Hall der Carnegie Hall will Dodge nicht einfach „nur“ Musik machen, sondern eine Botschaft der gemeinsamen kulturellen Wurzeln überbringen, an ihren humanistischen Kern erinnern.

„Trauerarbeit“ könnte das ganze Projekt überschrieben sein – wie die Ausstellung des amerikanischen Malers Alan Magee, die das Goethe-Institut New York gerade zeigt. Wer gerade Ground Zero besichtigt hat, den berühren die leichenblassen Monotypien, die blicklosen Augen und zugenähten Münder besonders stark. Derzeit wird diskutiert, ob man die Bergungsarbeiten jetzt schon einstellen, ein neues Wahrzeichen der Welthandelsmacht quasi über vergessenen Leichen errichten soll.

Das „Nocturne for String Quartet“ des vor einigen Jahren verstorbenen Amerikaners Robert Helps wird so zur dicht gewebten Erinnerungsmusik, in der vor allem die Geigerinnen Janine Jansen und Julia Maria Kretz feinste Flageolets und Pizzikati wispern und flüstern lassen, Stimmen aus dem Nichts. Verlorenes beschwört auch Krysztof Pendereckis Klarinettenquartett von 1993 durch eine gewisse „Klezmer“-Melodik des Blasinstruments – wie Brahms in seinem op. 115 vollends die Abschiedswehmut einem „ungarisch“ gefärbten Idiom anvertraut.

Hinter der Bühne wird Frank Dodge derweil mit der harten Realität des amerikanischen Konzertbetriebs konfrontiert. Dass nach dem Brahms-Quintett noch Sextett gespielt wird – nämlich Schönbergs „Verklärte Nacht“ –, stößt bei den Bühnenarbeitern auf Befremden: „Die Stühle müssen den ganzen Abend so stehen bleiben!“ Ganze 1200 Dollar mehr muss Dodge für die Bewegung von zwei Stühlen und drei Notenpulten hinblättern. Auch wer wann zum Applaus erscheinen darf, ist hier strengstens geregelt. „Ich werde nie wieder auf die deutsche Bürokratie schimpfen“, stöhnt Dodge.

Die Berliner Saison von Spectrum Concerts geht am 1. März 2007 weiter.

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