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Hermann L. Gremliza ging nicht in den Journalismus, um sich Freunde zu machen.

© picture-alliance / ZB

Nachruf auf Hermann L. Gremliza: Stachel im Fleisch der deutschen Linken

Der linke Publizist Hermann L. Gremliza hat den Journalismus mit seiner unbequemen Stimme bereichert. Mit ihm stirbt auch der letzte seiner Art.

Von Andreas Busche

Die Bezeichnung „Altlinker“ wird oft despektierlich benutzt. Aber im Anbetracht dessen, wer sich heutzutage alles ungestraft „links“ nennen darf - ganz vorneweg seine alte Partei, die SPD, aus der er 1989 austrat –, hätte Hermann L. Gremliza diese Beleidigung wohl mit Stolz angenommen. Wahrscheinlich hätte sich aber auch niemand getraut, ihm das ins Gesicht zu sagen. Der deutschen Linken, der sich der wortgewaltige Publizist allenfalls noch in Gestalt der Partei „Die Linke“ verbunden fühlte (allerdings ohne deren grassierenden Antisemitismus), war Gremliza immer ein Stachel im Fleisch.

Gremliza war nicht in den Journalismus gegangen, um sich Freunde zu machen. Nicht umsonst bewegte sich die Auflage des monatlichen Politmagazins „Konkret“, das er seit 1974 herausgab, als Deutschland seine Stimme eigentlich am meisten brauchte, immer am Rande des Existenzminimums. Aber ohne seine unapologetisch linke Haltung, auch Gremlizas soldatischer Treue zum Staat Israel – wenigstens in dem Punkt war er sich mit seinem Erzfeind Axel Springer einig -, wäre die publizistische Landschaft im vereinigten Deutschland um einiges ärmer gewesen. ("Gegen Deutschland" heißt eine Textsammlung aus dem Jahr 2000.)

Gremliza zerlegte Widersacher mit scharfem Intellekt

Wie groß die Lücke ist, die Hermann L. Gremliza, der bereits am 20. Dezember in Hamburg mit 79 Jahren starb, hinterlässt, lässt sich in etwa abschätzen an seiner Kolumne „Gremlizas Express“ auf der letzten Seite jeder „Konkret“-Ausgabe. Hier demonstrierte der glühende Karl-Kraus-Verehrer eindrucksvoll, dass linkes Denken nicht nur eine Frage der richtigen Haltung, sondern auch der richtigen Sprache ist. Gremliza war ein linker „Waldorf & Statler“ in Personalunion (das schlagfertige Seniorenduo aus der "Muppets Show"), der sich beißend und reißerisch von seiner Empore der Selbstgewissheit herunter über seine Zeitgenossen lustig machen konnte.

Und, zum Leidwesen der Kritisierten, darin auch meist recht behielt. Ein falscher Kasus, ein vergessenes Komma, ein entlarvendes Ressentiment konnten jedes noch so triftige Argument ruinieren. Und Gremliza zerlegte seine Widersacher mit seinem scharfen Intellekt. Noch lieber war es ihm allerdings, wenn schlechte Grammatik die Dummheit seines Gegenübers nur noch exponierte.

Es klingt wahrscheinlich banal, aber Gremliza konnte schreiben - und wer seine Texte in der Konkret aufmerksam las, der konnte auch einiges von ihm lernen.

schreibt NutzerIn flagman

In der „Konkret“ war Gremliza, obwohl in jedem Artikel, in jeder Zeile gegenwärtig, am Ende vor allem noch die Graue Eminenz. Der Spagat, den die Redaktion zu vollziehen hatte, war enorm, aber sein galliger Humor schaffte es bis in die Bildunterschriften, die – wie im übrigen auch die Titelbilder – mitunter „Titanic“-Niveau besitzen.

Die Poplinke interessierte ihn nur am Rande

Das war der Schulterschluss, den die „Konkret“ in den letzten Gremliza-Jahren mit einer jüngeren Redaktion vollzog: die alten linken (altlinken?) Seilschaften zwischen  Hamburg (Gerhard Henschel) und Frankfurt (Adorno, Robert Gernhardt). Die Poplinke, die ihn nur am Rande interessiert hatte, war da längst zur „Jungle World“ abgewandert, deren akademischer Marxismus und antideutsche Haltung da vergleichsweise eher Spaßguerilla-Charakter besaßen. Gremliza war bis zur letzten Zeile ein Vertreter der reinen Lehre gewesen.

Gremliza fiel es allerdings auch nicht leicht, Niederlagen einzugestehen. Er konnte zwar nach Herzenslust über die "taz" als "Möchtegern-FAZ" spotten, weil die meisten salonlinken Redakteure eben doch nur Karriere machen wollten, um dann zu den bürgerlichen Medien zu wechseln. (Das ließ er nur seinem Spezi Dietmar Dath durchgehen, als der von der "Spex" zur "FAZ" ging) Dass sein ehemaliger Redakteur Jürgen Elsässer aber den Schritt von den "Antiimperialisten" ins rechte Lager machte und dort heute als Stichwortgeber fungiert, muss ihn insgeheim gewurmt haben.

Hermann L. Gremliza hinterlässt der Nachwelt ein gewaltiges Werk. Tröstlich allein ist, dass er nun wieder mit dem 2013 verstorbenen Satiriker Horst Tomayer, ein langjähriger Weggefährte aus "Konkret"-Zeiten, vereint ist. Wo immer sich die beiden jetzt auch befinden, können sie dort ihr politisches Comedy-Duo „Sehr gemischtes Doppel“ wiederaufnehmen.

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