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Klaus Schulze bei einem Konzert im Berliner Schiller-Theater.

© imago images/POP-EYE

Nachruf auf Klaus Schulze: Zukunftsmusik aus dem Maschinenpark

Er war ein Pionier der elektronischen Musik, produzierte aber auch den Pop von Ideal: zum Tod von Klaus Schulze.

Ein Mann und seine Maschinen, Szenen einer Beinahe-Verschmelzung. So, wie Klaus Schulze in einem 1977 vom WDR aufgenommenen Konzert zu sehen ist, war er alles auf einmal: Hippie, Mönch und Raumfahrer. Im Schneidersitz hockt er auf einem Flokatiteppich, an drei Seiten umgeben von Synthesizern, Mischpulten, Sequencern und Tonbandgeräten. Vorsichtig dreht er an Reglern, spielt ein paar Töne auf einem der Keyboards.

Manchmal wippt sein in einem wallenden weißen Hemd steckender Oberkörper ein wenig, die Haare sind zur strengen Prinz-Eisenherz- Frisur geschnitten. Unheilvoll fiepende Geräusche entströmen dem Maschinenpark, später tiriliert es und nach vier Minuten setzt eine hell pulsierende Melodie ein, die gleichzeitig futuristisch und romantisch klingt. Zukunftsmusik aus der Vergangenheit.

Im Schneidersitz auf dem Flokatiteppich

In den Kommentarspalten von Youtube haben Fans einige der Geräte identifiziert, darunter Schulzes legendären Big Moog, ein etwa 100 Kilogramm schweres, schrankhohes Ungetüm, das er von Florian Fricke übernommen hatte, dem Gründer der Band Popol Vuh. Außerdem zu erkennen: ein Synthi-A, ein Korg ARP Odyssey, „hach, und die 2 ReVox A77 im Hintergrund“, wie ein Kommentator jubelt. Die Beiträge sind unter anderem auf Englisch, Französisch und Russisch formuliert. Klaus Schulze, der am Dienstag im Alter von 74 Jahren gestorben ist, war ein international gefeierterer Star.

David Bowie und Brian Eno verehrten ihn genauso wie der britische Musiker Richard David James, besser bekannt als Aphex Twin. Stücke von ihm finden sich in den Soundtracks von Filmen der Hollywood-Regisseure Sofia Coppola und Michael Mann. Schulze gilt als Wegbereiter von Synthiepop und Techno. Doch in Deutschland fand der Pionier weit weniger Beachtung.

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Lob wehrte Schulze oft ab, von einer Revolution, an der er beteiligt gewesen sei, wollte er nichts wissen. Er habe „einfach nur gemacht“, hat er gesagt, und in Bezug auf seine Musik müsse man eher von Evolution sprechen. Schulze, 1947 in Berlin geboren, hatte seine Karriere als Schlagzeuger begonnen, er trommelte in der kurzlebigen Formation Psy Free und bei Tangerine Dream. Die Krautrock- Band Ash Ra Tempel verließ er, nachdem sie ihr Debütalbum aufgenommen hatte. Elektronische Musik wollte Schulze bereits entdeckt haben, als der Tangerine-Dream-Gründer Edgar Froese noch dem Rock von Jimi Hendrix nacheiferte. 1972 veröffentlicht er sein Solodebüt „Irrlicht“. An Bands hatten ihn vor allem die endlosen Diskussionen gestört.

Seltsame Musik aus der Mauerstadt

Seit den Zeiten der Studentenrevolte war West-Berlin ein Zentrum der Experimentierfreude, in dem viele Menschen seltsame Musik machten. Schulze stieg zu einer Zentralfigur der sogenannten Berliner Schule auf, mit seiner sphärenhaften, auf Klangflächen beruhenden und prinzipiell ins Unendliche strebenden Musik setzte er Maßstäbe. Auf dem noch mit seinem seinem ehemaligen Ash-Ra-Tempel-Mitstreiter Harald Großkopf aufgenommenen Album „Moondawn“ (1976) sind noch Störgeräusche und Gesangsbruchstücke zu hören. Mit Platten wie „Mirage“ (1977) oder „Dune“ (1979) wurde der Sound transparenter und feierlicher. Musik als Form der Meditation.

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Schulze, der ein Tonstudio in der Lüneburger Heide betrieb, hat mehr als fünfzig Alben herausgebracht. Im Juni soll sein finales Werk „Deus Arrakis“ erscheinen. Mit Begriffen wie „kosmische Musik“ oder „New Age“ konnte Schulze nichts anfangen. New Age sei eine „Bewegung, die mich nicht die Bohne interessiert“ und bloß Muzak hervorgebracht habe. Lieber berief er sich auf Richard Wagner und veröffentlichte einige Langspielplatten unter dem Pseudonym Wahnfried. Auch Nietzsche, Friedemann Bach und dem Science-Fiction-Schriftsteller Frank Herbert widmete er Stücke.

Schulze war auch ein Entdecker und Förderer. 1978 gründete er sein Musiklabel Innovative Communication. Dort erschien das Debütalbum der Band Ideal, das Schulze produziert hatte. Ihm gefiel Annette Humpes „trotziger Gesang“. Als Produzent arbeitete er außerdem unter anderem für die Gruppen DIN A Testbild und Alphaville. Klaus Schulze sei introvertiert gewesen, hat Alphaville-Sänger Marian Gold nun in einem Radiointerview erzählt. Aber dies auf eine Art, in der er „das Zentrum, die Sonne“ war, um die alles andere kreiste.

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