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Peter Paret

© Prabook

Nachruf auf Peter Paret: Im Brennglas der Kunst

Er wurde in Berlin geboren, floh vor den Nazis in die USA und schrieb kulturhistorische Standardwerke. Nun ist Peter Paret mit 96 Jahren gestorben.

Berlin, diese so gern mit sich selbst beschäftigte Stadt, braucht dennoch oft genug des Anstoßes von außen, um ihre Geschichte zu entdecken. So verhielt es sich auch mit der Kaiserzeit, zu der die Stadt jahrzehntelang kein Verhältnis hatte. Um 1980 änderte sich das. Da wartete der Neue Berliner Kunstverein 1981 mit einer Ausstellung zur Berliner Sezession auf. Zum Katalog steuerte der amerikanische Historiker Peter Paret den Überblicksartikel bei. Zugleich legte er in deutscher Übersetzung sein Buch vor, im Jahr zuvor in Harvard erschienen und schlicht betitelt „Die Berliner Secession“.

Kenner des Wilhelminismus

Der Autor, der dann auch die Eröffnungsrede der Kunstvereinsausstellung hielt, machte schon mit seiner Person deutlich, wie gebrochen die Geschichte Berlins war. Paret war 1924 in der Victoriastraße im Tiergarten geboren worden, im Alten Westen; wohingegen die „Secession“ in den Neuen Westen der Kurfürstendammgegend zog. Auch das war Bekenntnis. Denn so unpolitisch sich die Sezession gab, war sie doch gelebter Widerstand gegen den Wilhelminismus. Paret gab seinem Buch den bezeichnenden Untertitel ,„Moderne Kunst und ihre Feinde im kaiserlichen Deutschland.

Peter Paret hatte Berlin als Achtjähriger verlassen müssen. Gleich Anfang 1933 ging seine hellsichtige Mutter aus Deutschland weg, erst nach Wien, dann immer weiter nach Westen, und bereits 1937 wurden die USA zur neuen Heimat. Dort hat Paret studiert, bald dann während des Zweiten Weltkriegs in der Armee gedient, was sein Interesse an Militärgeschichte wachrief. Über den preußischen Militärtheoretiker Clausewitz hat er viel publiziert. Eine glänzende akademische Karriere führte ihn von London, wo er über die preußische Artillerie promoviert hatte, als Assistent nach Princeton, dann als Professor viele Jahre nach Stanford und schließlich zurück nach Princeton, begleitet von Mitgliedschaften in zahlreichen Akademien.

Enkel des Galeristen Paul Cassirer

Zugleich aber galt sein Interesse der Kulturgeschichte. Als Enkel mütterlicherseits des Galeristen Paul Cassirer war er wohl erblich vorbelastet. Mit dem Sezessions-Buch brachte er den angelsächsischen Typ der Geschichtserzählung nach Deutschland, die aus stupendem Wissen heraus lebendig zu schildern vermag. Das Buch wurde in der Folge mehrfach aufgelegt, Beweis für ein stetig wachsendes Interesse am Gegenstand. Der aber ist mehr als die Geschichte eines von Künstlern gegründeten Vereins: „Die Secession als Institution und ihre Kämpfe mit dem Kaiser und seinen Verbündeten in der Bürokratie, in den etablierten Kunstorganisationen und innerhalb eines Publikums, das jeglichem Experimentieren weitgehend ablehnend gegenüberstand, sind auch ein aufschlussreiches Phänomen der politischen Geschichte des späten Wilhelminischen Reiches“, fasst Paret zusammen und hebt den Blick zugleich über den Verein und seinen Kampf für Liebermann und den Impressionismus hinaus. Er weiß aber zugleich – und das wollte man im Berlin des Jahres 1981 nicht so gerne hören –, dass die Sezession nur „eine kleine Elite von Künstlern und Kunstkennern“ vertrat, „während der Kaiser stets einen untrüglichen Sinn für den Geschmack des breiten Publikums hatte“.

Gewartet auf die Wiederentdeckung

Paret hat später sowohl die Zeit vor als auch nach der Sezession beleuchtet und über Adolph Menzel ebenso geschrieben wie über Ernst Barlach. Immer hat er dabei „Kunst als Geschichte“ verstanden, wie einer seiner Buchtitel lautete. 1981 fand er ein breites Echo, als ob Berlin auf die Wiederentdeckung seiner Geschichte gewartet hätte. Vielleicht war es so. Mit Peter Paret, der am 11. September 96-jährig in Salt Lake City gestorben ist, wo er zuletzt bei seinem Sohn lebte, ist einer der allerletzten Vertreter jenes liberalen, jüdischen Bürgertums nicht nur Berlins dahingegangen, das nach 1933 ausgelöscht wurde und nur im Exil noch bestand. Freunde rühmten seine kultivierte Gastfreundschaft, vielleicht ein Mitbringsel aus dem Tiergartenviertel, in dem er aufgewachsen und aus dem er vertrieben worden war. Bernhard Schulz

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