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Der Gewinnerentwurf der Hamburger Oper von Bjarke-Ingels-Group (BIG).

© dpa/BIG&Yanis-Amasri-Sierra, Madrid

Neue Opernhäuser in Hamburg und Düsseldorf: Zwei gegensätzliche Standpunkte in der Stadtdebatte

Kreuzfahrtschiff vs. Eisberg: Hamburg und Düsseldorf wollen neue Opernhäuser bauen. Die Ansätze der Städte könnten dabei nicht unterschiedlicher sein.

Nikolaus Bernau
Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Stand:

Die lokale Presse ist schon mal begeistert: Hamburg steige mit dem am Donnerstag von der Jury ausgewählten Entwurf der Kopenhagener Architekten Bjaerke Ingels Group für die neue Oper in die „Champions Leage“ der Kunstwelt auf.

Die Luftansichten von BIG – so kürzt sich das Büro bescheiden ab – zeigen einen Bau, der mit bis hin zur Elbe reichenden Parkanlagen den Decks eines Kreuzfahrtschiffs gleicht. Im weichen Schwipp-Schwapp geführte, reich begrünte Wandelwegen führen bis auf die Dächer des ovalisierenden Kernbaus mit ausschweifendem Foyer, dem 1500 Sitzplätze-Saal und den riesigen Bühnen.

Das alles verspricht so viel Heiterkeit und Spaß an der Kunst der Oper, dass man sich fragt, wie hier Dramen à la „Tosca“ aufgeführt werden könnten. Der Entwurf erinnert an die Frische und Leichtigkeit vieler Nachkriegsbauten wie die Berliner Kongresshalle oder den Rostocker Teepott, an Weltausstellungspavillons, aber auch an in China seit den 2010er-Jahren gleich reihenweise realisierten „Star“-Architekturen in dramatischen Formen.

Die Vorstellung der neuen Hamburger Oper, unter anderem mit Peter Tschentscher, Hamburger Bürgermeister (3.v.r.).

© dpa/Georg Wendt

Trotzdem, selbst die meist nüchterne „Die Zeit“ jubelte angesichts dieser Animations-Zeichnungen, nun sei jede Debatte überflüssig, man könne bauen.

Dabei sind die vielen kritischen Fragen zu dem Projekt weiter ungeklärt und sicher kann dieser konstruktiv extrem aufwändige Entwurf nicht einmal ansatzweise für die 330 Millionen Euro realisiert werden, die der Sponsor des Großprojekts, der Transportunternehmer Klaus-Michael Kühne, versprochen hat.

Und wird er überhaupt für BIG plädieren? Der Senat der Hansestadt hat Kühne das letzte Wort in seltener baupolitischer Selbstentmachtung zugestanden. Die Architekten haben sich dieser spätfeudalen Haltung schon mal angepasst: Im Saal sollen Ränge wie in einem traditionellen fürstlichen Opernhaus bis an die Bühne geführt werden.

Eine Anlage, die in der Nachkriegszeit als zutiefst undemokratisch galt, so wie in Fritz Bornemanns Deutscher Oper in Berlin oder Gerhard Webers hervorragendem Hamburger Opernhaus von 1955 vermieden wurde: Auch dort sind Parkett, Ränge und Logenplätze frontal zur Bühne ausgerichtet, mit vergleichbar guter Sicht und Hörbarkeit.

Die neue Oper in Hamburg bei Nacht.

© dpa/Georg Wendt

Ebenfalls am Donnerstag wurde in Düsseldorf der Wettbewerb für einen Opernneubau entschieden. Das war sicher kein Kalender-Zufall: die Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen und Hamburg konkurrieren eisern wirtschaftlich, politisch und kulturell.

Radikal realistische Kostenberechnung

Das norwegische Büro Snøhetta soll nun für die Deutsche Oper am Rhein einen Neubau errichten, die alte Oper, nach dem Krieg in bescheidenen Formen von einigen eng mit den Nazis verbundenen Architekten geplant, abgerissen werden.

Weltberühmt wurde Snøhetta mit der Oper in Oslo, die einer weißen Marmorklippe gleich aus dem grünen Fjordwasser aufsteigt. Einer der großartigsten öffentlichen Bauten der vergangenen zwanzig Jahre.

Das Opernhaus von Snøhetta in Oslo.

© dpa/Christopher Hagelund

Düsseldorf plant in vielem das Gegenprogramm zu Hamburg: Die städtische Politik folgt nicht dem Willen eines Sponsors, sondern will das Projekt selbst stemmen. Die Stadtkoalition aus CDU und Grünen ist dabei radikal realistisch: Das Projekt wird eher eine Milliarde kosten. Dafür sollen auf den beiden Grundstücken, die aus dem Bestand des Kaufhaus-Bankrotteurs Benko gekauft wurden, die Oper, die Musikschule, die Musikbibliothek, ein regelrechtes Kulturzentrum entstehen.

Das Architekturbüro Snøhetta aus Oslo soll in Düsseldorf die neue Oper errichten.

© IMAGO/Oliver Langel

Es gab faktisch drei Wettbewerbsrunden, nicht wie in Hamburg nur eine mit einer kleinen Gruppe arrivierter Architekten, und sogar einen Kinderwettbewerb. Jetzt werden alle Entwürfe den Bürgern in einer Ausstellung zur Debatte präsentiert, zugleich mit den Architekten verhandelt, um das Ganze so preiswert wie möglich zu halten – und dann entscheidet nicht ein Sponsor, sondern der Stadtrat. So soll es sein.

Snøhettas Entwurf zeigt drei gewaltige Baukörper, die in der engen Innenstadt aufragen – noch ein Unterschied zu Hamburg: Dort soll die Oper ins Luxusviertel am Hafen umziehen, in Düsseldorf Teil des Stadtlebens bleiben.

Teil des Stadtlebens: Hier, am Wehrhahn 1, soll die Düsseldorfer Oper künftig stehen.

© IMAGO/Oliver Langel

Große Fenster öffnen die steilen Foyers, sonst sind die Fassaden eher geschlossen, durchstanzt von kleinen Öffnungen gleich einem alten Computerband. Der Saal allerdings zeigt sich ebenfalls in traditioneller Grundfigur mit Rängen – dabei produzieren diese immer auch Plätze mit schlechter Sicht und Akustik en Masse. Überarbeitungsbedarf! 

Zwei Wettbewerbsentscheidungen am selben Tag für Opernbauten, die zusammen ohne Weiteres um die zwei Milliarden Euro kosten können – Deutschland ist offenbar noch nicht so total verarmt, wie es Populisten und Regierung behaupten. Auch hat das Bildungsbürgertum, aus dem sich im Wesentlichen das Opernpublikum rekrutiert, keineswegs seinen politischen Einfluss verloren.

Die Vorstellung des Opernneubaus, unter anderem mit Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (2.v.l.).

© IMAGO/Oliver Langel

Aber es muss auch konstatiert werden: So modernistisch die Animationszeichnungen sind – beide Projekte bedeuten, sanierungsfähige Häuser aufzugeben. Die Entscheidungen sind, nicht nur aus der Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes, zutiefst konservativ. Sie sind Zeichen einer Gesellschaft, die nicht Abschied nehmen will von ihrer Verschwendung unwiederbringlicher Ressourcen – zu denen eben auch historisch gewordene, aber sanierungsfähige Opernhäuser gehören.

Dabei sind, wie sich in Berlin gezeigt hat, historische Opernhäuser durchaus neu zu gestalten, auch wenn das keineswegs billiger werden muss, siehe Köln, als völlig Neubauten.

Was aber erhalten bleibt, sind neben den Baumaterialien, der „Grauen Energie“, auch die Geschichte der Häuser. Und man muss konstatierten: Die Kunst der Oper konnte bisher in Hamburg wie in Düsseldorf auch in den alt gewordenen Häusern trotz manchen Sanierungsstaus sehr gut gedeihen. 

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