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Adolf Ziegler „Vier Elemente“ vor 1937 gleich neben einer Skulptur Otto Freundlichs.

© Foto: Sibylle Forster © Bayerische Staatsgemäldesammlungen 

NS-Kunst im Museum: Aufklären statt wegsperren

Ein Bild von Hitlers Lieblingsmaler Adolf Ziegler zwischen Werken NS-verfolgter Künstler und Gegenwartskunst polarisiert in der Münchner Pinakothek der Moderne – und stößt eine überfällige Debatte an.

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Das Triptychon zeigt vier Frauen, blond und nackt. Adolf Hitler gefielen sie. Er kaufte das Gemälde, das NS-Künstler Adolf Ziegler gemalt hatte, und brachte es in der NSDAP-Zentrale im damaligen Münchner Führerbau über dem Kamin an. Seit rund zwei Monaten hängen „Die vier Elemente“ in der Pinakothek der Moderne in München, zwischen Werken NS-verfolgter Künstler und aktueller Kunst, in der neuen Sammlungspräsentation „Mix & Match“.

Und das bleibt bis mindestens Anfang 2024 auch so. Zum Ärger vieler. Der Künstler Georg Baselitz protestierte dagegen in einem offenen Brief an Bernhard Maaz, den Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen, und Markus Blume, Bayerns Kunstminister (CSU) und forderte: Hängt es ab!

Zieglers Aktbild „Die vier Elemente“ ist, mit einem kurzen Erläuterungstext versehen, im Saal „Panoptikum“ ausgestellt. In Sichtachse dazu sieht man dort ein abstraktes Frauenporträt Picassos, eine „Dirne“ von Josef Scharl (1896 - 1954) , eine Arbeit von Henrik Olesen sowie zwei Skulpturen von Otto Freundlich und Thomas Helbig.

Otto Freundlich wurde als Jude 1943 von den Nationalsozialisten im KZ-Lublin-Majdanek ermordet, Thomas Helbig (geb. 1967) ist Bildhauer in Berlin. Der Däne Henrik Olesen (geb. 1967) erinnert in seinem wandfüllenden Werk „Nach Magnus Hirschfeld“ an den gleichnamigen jüdischen Sexualforscher und Mitbegründer der ersten deutschen Homosexuellenbewegung – auch dieser wurde von den Nationalsozialisten verfolgt.

Für den 84-jährigen Baselitz ist vor allem die Präsentation „unerträglich und ethisch nicht vertretbar“. Ziegler „gehört nicht in den Saal seiner Opfer“. Der Künstler zeigt sich „schockiert, dass Nazipropaganda auf diese schmuddelige Art in einem Münchner Museum möglich ist“.

Dabei stößt die Pinakothek damit eine überfällige Debatte an. Wie präsentiert man heute NS-Kunst? Wegsperren oder damit aufklären? Bereits 2015 provozierte das Museum in einer Ausstellung mit Zieglers „Vier Elementen“. In der Sonderschau „GegenKunst“ war das Triptychon Werken von Max Beckmann, Francis Bacon, Otto Freundlich und Josef Thorak gegenübergestellt. Der damalige kulturpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag, Sepp Dürr, hatte den bewussten Stilbruch zuvor kritisiert – das Museum legte daraufhin eine Broschüre aus.

Für Sammlungsdirektor Oliver Kase ist gerade für die jüngere Generation eine Beschäftigung „jenseits von Tabuisierungen und Dämonisierungen notwendig“. Er will „einen offenen Austausch über die Kunst und ihre Gefährdung in ideologischen Systemen“. Und dieser Austausch setze voraus, „dass NS-Kunst im Original zu sehen ist“.

Es ist notwendig, NS-Kunst sachlich und kritisch zu präsentieren.

Christian Fuhrmeister, Kunsthistoriker

Auch Bernhart Schwenk, Sammlungsleiter für Gegenwartskunst, der zusammen mit Kase den strittigen Ziegler-Raum kuratiert hat, setzt auf ein Publikum, „das Kunst wach und kritisch betrachtet, und nicht in Verehrung erstarrt“. Selbst die Künstler Thomas Helbig und Henrik Olesen, deren Werke im selben Saal wie Ziegler hängen, hätten diesen Austausch begrüßt. „Und der darf ruhig auch mal kontrovers sein“, so Schwenk.

Christian Fuhrmeister, der am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München über die Geschichte der NS-Kunst forscht, sieht das so: „Es ist notwendig, NS-Kunst sachlich und kritisch zu präsentieren. Die Pinakothek der Moderne ist das einzige deutsche Kunstmuseum, das nicht so tut, als hätte es die zwölf Jahre nicht gegeben. Das ist aber für mich der Hebel, mit dem wir die Phase des Tabuisierens beenden können. Wo, wenn nicht in Kunstmuseen, soll man über NS-Kunst diskutieren?“

In München geschieht das an einem prominenten Beispiel. Adolf Zieglers „Die vier Elemente“ ist eine Ikone des Nationalsozialismus. Sein Urheber war ein Drahtzieher der NS-Kulturpolitik, der als Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste die Beschlagnahmeaktion „entarteter Kunst“ organisierte.  

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