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Thom Luz' Inszenierung beim Berliner Theatertreffen.
© Karl-Bernd Karwasz

Berliner Theatertreffen: Paarungsverhalten auf einsamen Inseln

Die Reise bekommt ihr nicht: Thom Luz' „Atlas der abgelegenen Inseln“ vom Schauspielhaus Hannover enttäuscht beim Berliner Theatertreffen.

Der häufigste Satz an diesem Abend lautet: „Ich bin gleich wieder da“. Gesprochen von Lemuren mit bleichen Gesichtern, die ruhelos durchs Treppenhaus huschen. Tatsächlich sind sie Wiedergänger: von Forschern, Abenteurern, Schiffbrüchigen und Gescheiterten. Von all den seltsamen Figuren, mit denen die Schriftstellerin Judith Schalansky ihren „Atlas der abgelegenen Inseln“ bevölkert.

In diesem literarischen Kartografieprojekt hat die Autorin Kopfreisen zu den gottverlassensten Flecken der Welt unternommen. Die Idee kam ihr vor dem mannshohen Globus im Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek. Allerdings ist Schalansky während ihrer Recherche-Trips durch historisches Kartenmaterial und abseitige Forschungsberichte nicht auf Südsee-Paradiese gestoßen. Sondern überwiegend auf feindliche Ödnis. Ihr „Atlas“ versammelt Erzählungen über Vergewaltigungen, nie gehobene Schätze und den Verzehr von Pinguinen.

Regisseur Thom Luz.
Regisseur Thom Luz.
© Karl-Bernd Karwasz

Der Schweizer Regisseur Thom Luz hat daraus eine Theaterinstallation mit Musik gemacht. Uraufgeführt in der Cumberlandschen Galerie des Schauspielhauses Hannover, einem vormaligen Museums-Bau von 1886 mit dreigeschossigem Treppenhaus und schönen gusseisernen Geländern.

Kein geeigneter Spielort

Als Luz mit dieser Inszenierung zum Theatertreffen eingeladen wurde, warf das logistische Probleme auf. Die Suche nach einem adäquaten Aufführungsort beschreibt ein eigener Blog auf der Seite der Festspiele. Gefunden wurde schließlich das Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Pankow. Der Neorenaissance-Bau soll das Gefühl der Versunkenheit schaffen und wird – wie in Hannover – weiträumig eingenebelt. Im Dunst lässt Luz, 2014 zum Nachwuchsregisseur des Jahres gewählt, versprengte Figuren auf- und abtreten. „Ich bin gleich wieder da.“

Das Publikum sitzt auf drei Etagen verteilt, unentwegt vernimmt man von den anderen Geschossen Gelächter oder Musik. Man hat halt immer das Gefühl, dass es anderswo aufregender zugeht. Ach ja, so ist nun mal der Mensch.

Belanglose Paarungspraktiken

Der Abend streckt sich nach Marthaler-Skurrilität, erreicht sie aber nicht entfernt. Die Spieler und Musikanten reißen bloß Geschichten von Antipoden- oder Himmelfahrtsinseln an, die durchweg so belang- und zusammenhanglos bleiben wie ein Bericht über die Paarungspraktiken der nordischen Seekuh: „Der Mann liegt oben, das Weib unten“, notiert der Forscher George Steller. Also alles beim Alten.

In Hannover hatte der Abend wenigstens noch atmosphärischen Reiz. Im allzu offenen Treppenhaus des Pankower Gymnasiums verpufft auch der. Mit Blick auf Pokalvitrinen und Info-Ständer wirken die Weltumsegler wie die Geister nicht versetzter Schüler, die zum ewigen Geografie-Unterricht verdammt wurden und die Koordinaten einsamer Inseln referieren müssen.

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