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Max Simonischek las aus dem Buch von Julian Barnes

© Foto: Fabian Schellhorn

Philharmonischer Salon: Die Angst war sein täglicher Begleiter

Schauspieler Max Simonischek und Mitglieder der Berliner Philharmoniker widmen sich im „Philharmonischen Salon“ dem Leben von Dmitri Schostakowitsch

Am 16. Januar 1936 besucht Josef Stalin im Bolschoi-Theater eine Aufführung der Oper „Lady Macbeth von Mzensk“. Wenige Tage später erscheint in der „Prawda“ der Leitartikel „Chaos statt Musik“, der den Komponisten Dmitri Schostakowitsch heftigen Angriffen aussetzt und ihn des „Formalismus“ bezichtigt. Alle Aufführungen des zuvor sehr erfolgreichen Werkes werden gestoppt. Es herrscht ein Klima permanenter Angst vor dem Diktator. Der gedemütigte Komponist schläft nachts in seinen Kleidern in Erwartung der Schergen, die ihn zur Vernehmung vor der Geheimpolizei abholen würden.

Am Beispiel Schostakowitch thematisiert ein äußerst konzentrierter Philharmonischer Salon im Kammermusiksaal die Abhängigkeit der Kunst von dem Stand der Politik. Sie ist ja nicht fern. Aktuell wird sie in diesen Tagen wieder in den besetzten Gebieten der Ukraine erlitten, „wo jeder Angst hat“, wie berichtet wird.

Melancholie, Klage und Schmerzen prägen die Werke

Dieser Philharmonische Salon ist ein sehr ernster Beitrag der beliebten philharmonischen Reihe. Da sich Götz Teutsch als Programmgestalter auf den Künstlerroman „Der Lärm der Zeit“ von Julian Barnes stützt, geht es um das Musikerschicksal Schostakowitschs in der Sowjetunion. Die Auswahl der Texte, die der Schauspieler Max Simonischek mit intensiver Sachlichkeit liest, geht besonders auf den Menschen Schostakowitsch ein, auf Details aus seinem Leben, seine zerrissene Seele als schüchterner Geist, seine Angst. So nennt Teutsch den Titel dieses Salons „Der Klang der Angst“.

Vom Klang handelt das Buch selbst weniger, weil es das musikalische Werk weitgehend außer Acht lässt. Hier im Saal ist die Musik mehr als eine willkommene Ergänzung. Sie wird gespielt von der erstaunlichen Geigerin Johanna Pichlmair, dem Geiger Simon Roturier, dem Bratschisten Micha Afkham, alle drei Mitglieder der Philharmoniker, sowie der Pianistin Cordelia Höfer und dem DSO-Solocellisten Valentin Radutiu.

Die Kompositionen zeigen, wie Melancholie, Klage und Schmerzen gerade in die verschattete Kammermusik eingegangen sind, zumal in das Largo des Klaviertrios e-Moll oder die pianissimo beginnende Fuge des Klavierquintetts g-Moll mit ihrer tastenden Steigerung. Bevor im Finale die russische Musizierfreude erwacht, spricht ein langsames Intermezzo von Trauer, unterschwelliger Bedrohung und Leid.

Die Musik klingt ernst und grüblerisch wie ein innerer Monolog. Die Interpretation aber erreicht höchstes Niveau, weil das Ensemble in großartigem Zusammenspiel die Selbstreflektion des Komponisten mit Spannung und Klangschönheit erfüllt. Der herzliche Beifall des Publikums reflektiert den Ausnahme-Charakter der Veranstaltung am Sonntag Nachmittag.                

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