zum Hauptinhalt
Wie Amo genau aussah, ist nicht überliefert. Eine Plakette vor Gerhard Geyers Bronzeplastik „Freies Afrika“ an der Universität in Halle erinnert dennoch an den Philosophen.

© imago images/Steinach

Philosophieren ohne festen Wohnsitz: Ottmar Ettes Roman über Anton Wilhelm Amo

Wie kam es, dass der erste Philosoph afrikanischer Herkunft in Deutschland zu Aufklärungszeiten scheiterte? Der Romanist Ottmar Ette sucht auch im Fiktionalen nach einer Antwort.

Von Wolfgang Asholt

Stand:

Vor gut zehn Jahren veröffentlichte der Potsdamer Romanist Ottmar Ette die Studie „Anton Wilhelm Amo. Philosophieren ohne festen Wohnsitz (Kadmos) als eine „Philosophie der Aufklärung zwischen Europa und Afrika“.

Amos Philosophie ist aus rassistischen Gründen lange zum Schweigen gebracht worden, und Leben und Werk des „ersten schwarzen Philosophen“ weisen zahlreiche weiße Flecken auf.

Eine philosophie- und kulturgeschichtliche Arbeit kann sie nur konstatieren, ein „Bildungs“-Roman im Zusammenspiel von „Fiktivem und Imaginären“ aber überwinden und produktiv machen.

Mein Name sei Amogestattet, Möglichkeiten und Grenzen von analytisch-pragmatischem und fiktiv-imaginärem Schreiben zu vergleichen.

Der Komplexität des Lebens angemessen, handelt es sich um einen multiperspektivischen Roman, sowohl was die Erzählebenen und -Instanzen wie die zeitliche und thematische Vielfalt angeht.

Es wird möglich, die Biografie von Amo zu imaginieren, von der Geburt im heutigen Ghana Ende des 17. Jahrhunderts, dem Raub als Sklave und dem (dokumentierten) Verkauf an den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, dem Studium in Halle an der Saale, Magister und Promotion in Wittenberg, Lehre und fast spurenlose Zeit in Jena, sowie 1748 der Rückkehr nach Afrika und dem Lebensende, über das ein (kurzer) Bericht eines Schweizer Schiffsarztes vorliegt, der „Spielraum für jeweils unterschiedliche Spekulationen eröffnet“, den der Romanautor Ette nutzt.      

Dem Spiel mit den Erzählperspektiven gelingt es, dokumentiertes und imaginiertes Leben zu vereinen.

Neben Erzählungen und Monologen des Protagonisten Amo und einiger Nebenfiguren (vor allem der Kammerzofe Maria) dominiert ein allwissender Ich-Erzähler, der vom Weltgeist mit ewigem Leben ausgestattete Pudel Zepp (Concepción), der Amo sein Leben lang nicht von der Seite weicht und es kommentiert.

Der Pudel lenkt die Aufmerksamkeit auf den Kern der Geschichte Amos und verweist auf Schopenhauers Hund Butz, wie die Umschlagzeichnung von Wilhelm Busch unterstreicht.

Aus Zepps Perspektive begleiten wir die Entwicklung von Amos „Philosophie der Aufklärung zwischen Europa und Afrika“ und sehen, wie der „schwarze Philosoph“ nach anfänglicher Anerkennung seiner immensen Talente am alltäglichen und universitären Rassismus scheitert.

Dank der Fiktion folgen wir Amo an den Hof des Aufklärungsmonarchen in Potsdam: von ihm sollen die Idee und die Zeichnungen für den Bau von Sanssouci stammen, doch Friedrichs Kriege dementieren die Hoffnungen auf eine friedliche Aufklärung.

Der Romanist Ottmar Ette, Professor für französisch- und spanischsprachige Literatur an der Universität Potsdam.

© dpa/Bernd settnik

Der Pudel Zepp flieht mit seinem Herrn, mit dem er wie Diderots „Jacques le Fataliste“ redet, schließlich nach Afrika, wo Amo zur Personifizierung einer nord-südlichen Weisheit des Zusammenlebens wird.

Gerade die letzten, an den „Candide“ Voltaires erinnernden Lebensjahre illustrieren Amos Philosophie der gleichen Gültigkeit von Kulturen, Religionen und Sprachen und sind damit ein Vorschein des Projekts, das (auch) Ette proklamiert: ein „Philosophieren ohne festen Wohnsitz“, bei dem „der Fremde zu unserem Eigenen geworden ist“.

Der spannende Roman liest sich nicht nur gut, im Kontext der gegenwärtigen DHM-Ausstellung bildet er auch eine aktuelle Dialektik der Aufklärung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })