zum Hauptinhalt
Sie kehren auch zurück: Ukrainische Geflüchtete am polnischen Grenzort Przemysl im Dezember 2022, die in ihre Heimat zurückkehren wollen.

© / IMAGO/Dominika Zarzycka

Politik der Sprache: Flüchtlinge oder Geflüchtete?

Der UNHCR findet den Begriff „Geflüchtete“ banal. Aber er klingt weniger nach Opfer und Mitleid als „Flüchtlinge“. Worte machen Stimmung. Über eine immer wieder aufflackernde Diskussion.

Eine Kolumne von Christiane Peitz

Flüchtlinge oder Geflüchtete, was ist besser? Die Frage wird seit 2015 diskutiert. Dass Begriffe wie Flüchtlingswelle oder Flüchtlingsflut all jene, die in Europa oder in Deutschland Schutz suchen, zu einer bedrohlichen Masse anonymisieren und mit Naturkatastrophen gleichsetzen, hat sich herumgesprochen. Beim „Flüchtling“ herrscht weniger Einigkeit.

Zwar verwenden die Bundesregierung und die Bundeszentrale für Politische Bildung beide Begriffe, aber gerade hat das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR klargestellt, dass es „das Wort Geflüchtete als abwertend“ betrachtet und nicht benutzt. Ein Flüchtling hingegen genieße laut Genfer Flüchtlingskonvention Schutz vor Verfolgung.

Die Organisation „Pro Asyl“ meinte bereits 2016, dass „Flüchtlinge“ juristisch sauberer sei: Ein derart bezeichneter Mensch habe Rechte. Wenn der UNHCR-Sprecher nun aber anmerkt, „Geflüchtete“ sei zu banal, da „wir alle schon einmal vor irgendetwas geflüchtet“ seien, vor einem Regenguss, einer unangenehmen Pflicht oder ein Straftäter vor der Polizei, ignoriert dies fast zynisch die politischen Aspekte der Sprache.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sprache macht Stimmung, Worte färben unsere Wahrnehmung. Auch die Grammatik sorgt für bestimmte Anmutungen. Geflüchtete, das steckt schon im Partizip Perfekt, waren und sind aktiv. Sie haben eine meist beschwerliche, oft gefährliche Odyssee angetreten, sich aus Kriegs- und Krisensituationen, aus Hungersnot oder lebensbedrohlicher Diskriminierung herausbegeben.  

Sie haben sich nicht mit ihrem Opferdasein abgefunden, nehmen ihr Schicksal in die Hand. Zigtausende Geflüchtete aus der Ukraine kehren in ihre Heimat zurück, auf Zeit oder auf Dauer.

Die oft pejorativ und verniedlichend verwendete Endung -ling bezeichnet eher einen passiven Status. Ja, es gibt auch positiv konnotierte „ling“-Wörter neben dem Schreiberling, dem Eindringling oder dem Däumling: Wir mögen den Schmetterling, sehnen uns nach dem Liebling. Aber es handelt sich in der Regel um eine Zuschreibung von außen. Der „Flüchtling“-Status als internationale Norm, gegen die nichts einzuwenden ist, impliziert eben auch, dass das Schutzrecht erstmal gewährt werden muss - oder auch verweigert werden kann.

Der UNHCR zählt aktuell 103 Millionen gewaltsam vertriebene Menschen weltweit, das sind 13,6 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Flüchtlinge, Geflüchtete, Asylbewerber:innen, Migrant:innen: Ob aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine, am Ende kommt es darauf an, sie als tätige Menschen wahrzunehmen, die es zu unterstützen gilt, nicht als passive, vor allem bemitleidenswerte Opfer. Die Sprache kann dabei helfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false