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Common

© Getty

Neues Album: Common: Verwandlung lernen

Zucker für Sex, Hip-Hop für Obama: das neue Album des Rappers Common.

Es gab mal eine Zeit, ungefähr zu Beginn dieses Jahrtausends, da gehörte der amerikanische Hip-Hop zu den ausgepumptesten, uninspiriertesten Musikgenres der Popkultur. Chefmusik, das war er sehr wohl geworden, mit Sounds, mit denen sich zudem die weißen Superstars nur allzu gern schmückten, kommerziell erfolgreich sowieso. Ansonsten aber herrschte Ratlosigkeit: Was sollte man eigentlich noch erzählen? Schon wieder davon, wie steinig der Weg aus dem Ghetto nach oben war und wie hart es dort weiterhin zugeht? Was sollte man inszenieren? Schon wieder den Gangster und Hustler? Oder das erfolgreiche Business man-Modell mit dem sozialen Touch, auf dass die Herkunft niemals vergessen werde und immer alles schön „real“ bleibe? Hip-Hop war schon vor Jahren dort, wo Barack Obama jetzt ist, um mal wieder einen der beliebt-notorischen Hip-Hop-Obama-Vergleiche zu bemühen. Und das Genre, einst mit allen Insignien einer mächtigen Gegenkultur ausgestattet, hat all das schon durchgemacht, was Obama in den nächsten drei, vier, womöglich sieben, acht Jahren noch blüht: Stillstand, Abnutzung, Ausverkauf, tausend Kratzer am Lack des Strahlemann- und Hoffnungsträgerimages.

Inzwischen aber, gerade wenn man die wichtigsten Veröffentlichungen der vergangenen Wochen berücksichtigt, scheint sich hier ein Genre auf hohem Niveau erholt zu haben, wissen viele der Groß-Rapper wieder, wie sie ihrem Superstarstatus neue Facetten abringen können. Wie etwa Q-Tip, der nach zwei verlorenen Alben, die nie erschienen sind, ein Album eingespielt hat, das schön die Balance hält zwischen Pop und dem traditionsbewussten, reflektierten und abstrakten Hip-Hop, für den Q-Tip seit seinen jungen Jahren bei A Tribe Called Quest steht.

Oder wie Kanye West, der schon als Produzent die Grenzen des Hip-Hop so weit wie möglich gedehnt hatte und mit seinem jetzt vierten eigenen Album Hip-Hop einen gut sein lässt. Das ist musikalisch zwar eher unbefriedigend. Doch wie aus dem bürgerlichen Bildungsroman, den Kanye West auf seinen ersten drei Alben erzählt hat, jetzt auf „808s & Heartbreaks“ eine noch bürgerlichere Erzählung von den Leiden des nicht mehr jungen Kanye über die Trennung von seiner Freundin und den Verlust der Mutter geworden ist, das hat schon was.

Oder wie ganz aktuell Common, der auf seinem inzwischen auch schon achten, am Freitag erscheinenden Album „Universal Mind Control“ ebenfalls einiges anders macht, zumindest anders, als man es von ihm gewohnt ist. Commons bisheriges Werk ließ sich bislang bequem in der Abteilung „Conscious Rap“ einsortieren. Das ist jene Spielart des Hip-Hop, deren Protagonisten von Talib Kweli über die Roots bis Erykah Badu (mit der Common lange eine Beziehung hatte) sich ihres sozialen Gewissens, ihrer sozialen Verantwortung über die Maßen bewusst sind und zudem Traditionspflege großschreiben.

Common bewegte sich dabei immer schön zwischen den Polen Gospel und Soul auf der einen, Jimi-Hendrix-Experiences („Electric Circus“!) und Jazz auf der anderen Seite, und damit punktgenau zwischen korrektem Underground und Mainstream-Hip-Hop. „Universal Mind Control“ jedoch klingt so, als wolle Common sein korrektes Saubermann-Image kurz und klein schlagen, als wolle er gewissermaßen den dicken Jay-Z markieren, in jedem Fall aber diese möglicherweise lästig gewordenen Underground-Wurzeln ein für allemal loswerden.

Produziert und ordentlich durchgebügelt von den Neptunes Pharell und Chad Hugo sowie seinem Schulkumpel Kanye West schlägt er auf dem Album eine deutlich härtere und poppigere Gangart an als etwa auf dem wunderbar weichen, lässigen Vorgänger „Finding Forever“: vom knochentrockenen Funk in „Announcement“ über das herrlich melancholisch swingende „Inhale“ und das nicht weniger herrlich stampfende „What A World“ bis zum blitzsauber orchestrierten und von Martina Topley-Birds süßem Gesang begleiteten Electro-Pop-Feger „Everywhere“.

Common ist sich auch nicht zu schade, Zucker für Sex einzufordern, wahlweise Sex für Zucker. Oder im Duett mit dem Plattitüdenmeister Pharell Plattitüde zu rappen wie „Everybody I’d like to announce/Throw your hands up when we in the house/ yeah this hip-hop baby/I’m gonna take you to the tip-top baby“. Dann aber bleibt er zumindest einmal auch bei seinen Leisten, selbst wenn es seit einiger Zeit die Leisten all seiner Kollegen sind, er wird wieder zum Prediger.

In „Changes“ hält er mit seiner siebenjährigen Tochter Musinah ein Ständchen für Barack Obama. Das mag nicht sehr originell sein, gerade von Common hätte man sich noch einen differenzierteren, gar skeptischen Zwischenton gewünscht. Darüber hinaus ist „Changes“ aber auch Leistungsschau und hübscher Hinweis für Obama: Vom Hip-Hop lernen heißt siegen lernen. Und vom Hip-Hop lernen heißt auch Zähigkeit und Beharrungsvermögen lernen, Beständigkeit genauso wie den Mut zur immerwährenden Verwandlung.

Universal Mind Control von Common erscheint morgen bei Universal

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