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Konzertkritik: Fleet Foxes: Stimmen aus der Vergangenheit

Bei ihrem Auftritt im Huxley's bestätigen die Fleet Foxes, dass zur Zeit niemand schöner singt als das Quintett aus Seattle

Die Vorzeichen für das dritte Berlin-Konzert der Fleet Foxes in kaum mehr als zwölf Monaten waren nicht ideal: Massive Gratis-Konkurrenz durch die Fête de la Musique, dazu der sonntagabendliche Tatort-Sendeplatz. Dennoch ist Huxley‘s Neue Welt sehr gut besucht, was einiges über den Status des Quintetts aus Seattle sagt, das mit nur einem Album zu einer der gefragtesten Newcomer-Bands der letzten Jahre avancierte.

Schon der Opener „Sun Giant“ lässt keinen Zweifel daran, woran das liegt: der Gesang! Es gibt ja von Yeasayer über Bon Iver bis zu den Dirty Projectors eine ganze Reihe junger, meist amerikanischer Bands, die das lange in Vergessenheit geratene Stilmittel des mehrstimmigen Gesangs wiederentdeckt haben. Doch keine erreicht dabei ein solch majestätisches Strahlen wie die Fleet Foxes. Es wäre eine Untertreibung, würde man behaupten, dass sie ihre Songs um diese überirdischen Harmonien herumbauen. Hinter archetypischen Titeln wie „White Winter Hymnal“, „Tiger Mountain Peasant Song“ oder „Sun It Rises“ verbergen sich zwingend einfache Liedstrukturen, meist nur luftig um die flirrenden Gesangssätze drapierte Texturen. Die Instrumentierung bleibt akustisch, solistische Aufgeregtheiten werden weitgehend vermieden, auch wenn die Fleet Foxes im Vergleich zum letzten Jahr deutlich mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen.

Man wüsste natürlich zu gerne, wo diese fünf jungen Spunde – keiner von ihnen ist über 30 – eine Musik herzaubern, die so vertraut und zugleich unerhört ist. Denn jedes reflexartige „klingt wie“ bleibt einem schnell im Halse stecken: Trotz oberflächlicher Ähnlichkeiten klingen die Fleet Foxes gerade nicht wie eine der großen Sixties-Bands, nicht wie The Byrds, Jefferson Airplane, Crosby, Still, Nash & Young oder The Band. Natürlich scheinen diese Songs, scheinen Melodien und Harmonien irgendwo im reichen Schatz amerikanischer Volksmusik vorgebildet. Lassen Bilder von steinalten Spirituals, vom Chorgesang der Baumwollpflücker des Südens, von schrulligen Hillbillies und musizierenden Waldschraten entstehen. Aber wie sich die in dem Song „Oliver James“ beschworenen „Sounds of ancient Voices“ ihren Weg in die Gegenwart bahnen, ist unerhört und von einmaliger Schönheit.

Ihr Zusammenspiel ist von einer freundschaftlichen Herzlichkeit geprägt: Skyler Skjelset ist einziger Nicht-Sänger und Nicht-Bartträger der Band, dafür wird ihm mehr Raum eingeräumt, um mit Gitarre und Mandoline melodische Akzente zu setzen. Josh Tillman glänzt als aufreizend lässiger Drummer und verkürzt mit trocken-ironischen Zwischenbemerkungen die durch perfektionistisches Nachstimmen der Instrumente erzwungenen Pausen zwischen den Liedern. Einzig Robin Pecknold darf als Leitstimme aus dem Kollektiv ausscheren und ein paar Songs solo anstimmen, wirkt aber trotz stürmischem Jubels erleichtert, als seine Kollegen zurückkehren. Nach gut 80 Minuten vereinen die Fleet Foxes nochmal ihre Stimmen zum hymnischen „Blue Ridge Mountains“. Danach kann einem der strömende Regen draußen auch nicht mehr die Laune verderben.

Jörg W, er

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