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Doch noch einmal in Berlin. New Order am Donnerstagabend im Tempodrom.
© Monique Wüstenhagen/Electronic Beats

New Order im Tempodrom: Weltschmerz war früher

Nach über einem Jahrzehnt spielen die englischen Elektrosoundpioniere New Order wieder in Berlin. Zwar ohne ihren langjährigen Bassisten Peter Hook, dafür aber mit sichtlich Spaß an der Sache.

Wie klingen New Order ohne den unvergleichlichen Bass von Peter Hook, der die Band vor einiger Zeit im Streit verlassen hat? Sind das überhaupt noch New Order? Diese Fragen stellten sich wohl viele Fans vor dem Konzert am Donnerstagabend im Tempodrom, dem ersten der Band in Berlin seit mehr als zehn Jahren, dem ersten in Deutschland überhaupt ohne Hook. Und so viel ist klar: Wer deshalb auf einen Besuch des Auftritts der Elektrosoundpioniere aus Manchester verzichtet hat, darf sich durchaus ärgern.

Nach einem lässig-coolen Aufwärmprogramm von Tour-DJ Tintin betritt die nunmehr fünfköpfige Band kurz nach halb neun zu den Klängen von Ennio Morricones Filmmusik aus dem Italo-Western "The Good, the Bad and The Ugly" das stetige Halbdunkel der Bühne, das nur durch einige schicke Lichteffekte immer wieder kurz erhellt wird. Für Hook ist Tom Chapman als neuer Bassist dabei und schlägt sich wacker. Er versucht erst gar nicht, Hooks eigenwillige Live-Performance mit dem tief an den Knien hängendem Instrument zu kopieren. Chapman spielt genau wie die in die Gruppe zurückgekehrte Keyboarderin Gillian Gilbert, Schlagzeuger Stephen Morris und Gitarrist Phil Cunningham nur eine Nebenrolle an der Seite von Frontmann Bernard Sumner.

Der mittlerweile 56-Jährige wirkt auf der Bühne immer noch wie ein Schuljunge, der teilweise unbeholfen vor dem Mikrofon herumzappelt, dazu gellende Pfiffe und seltsam deplatziert wirkende Schreie von sich gibt. Und Sumner stellt auch an diesem Abend unter Beweis, dass er eigentlich kein Sänger ist. Nach dem Instrumental-Intro "Elegia" wirkt seine ohnehin recht dünne Stimme danach im anfangs arg dröhnenden Gitarrensound von "Crystal", "Regret" oder "Ceremony" regelrecht verloren. Noch deutlicher wird dies anschließend bei "Isolation", das einst Ian Curtis gleichermaßen unterkühlt und doch unglaublich ergreifend intonierte. Damals, als New Order noch Joy Division waren.

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Wirkliche Wehmut will deshalb allerdings nicht aufkommen. New Order sind sichtlich mit Spaß bei der Sache und zeigen einen Querschnitt aus ihrem mehr als 30-jährigen musikalischen Repertoire. Die großen Hits wie "True Faith", "Bizarre Love Triangle", "Perfect Kiss" und natürlich "Blue Monday" fehlen genauso wenig wie die eher selten live gespielten Stücke "5 8 6" oder "Thieves like us". Das Publikum in der mit über 3000 Fans voll besetzten Arena kommt ebenso wie die Musiker im Laufe der Show immer mehr auf Touren. Selten war die Stimmung bei einem New-Order-Konzert in Deutschland wohl derart ausgelassen, das Gefühl, ein paar ganz Große der Musikszene vielleicht zum letzten Mal live zu erleben, ist regelrecht greifbar. Und so springt der Funke an diesem Abend tatsächlich über. 90 Minuten inklusive Zugabe spielt die Band insgesamt 16 Songs. Solange konnte man New Order sonst eigentlich nur am Stück live hören, wenn der CD-Wechsler gleich zwei Konzertmitschnitte der Band hintereinander abspielte.

Alles endet schließlich um kurz nach 22 Uhr mit dem Joy-Division-Klassiker "Love will tear us apart", zuvor allerdings verschiebt Sumner den von so manchem Fan befürchteten Ruhestand mit den Worten. "Wir werden hoffentlich bald wiederkommen. In Berlin haben wir so viele gute Freunde." Und vielleicht sind nach diesem Auftritt sogar noch ein paar neue hinzu gekommen.

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