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Wahlberliner: Die australische Pop-Band Parcels

© Antoine Henault

Porträt der Band Parcels: Vom australischen Strand ans Spreeufer

Fünf junge Australier ziehen nach Berlin, um es im Pop-Geschäft zu schaffen. Nun erscheint das Debütalbum der Parcels.

Byron Bay, am östlichsten Zipfel Australiens. Sonne, Strand und fünf junge Musiker, die sich eine große Karriere erträumen. Dann ist die Schulzeit vorbei, und die Band beschließt, ihr Glück in Europa zu versuchen. Genauer gesagt in Berlin. Keiner von ihnen ist je dort gewesen, doch Freunde erzählen, wie entspannt die Stadt ist, wie lebendig die Musikszene.

Also packen die Parcels ihre Sachen und landen in einer kleinen Bude, in der sich drei von ihnen ein Bett teilen. Um den Lebensunterhalt zu verdienen, arbeiten sie als Kellner, Reinigungskräfte, einer liefert sogar Pizzen und Burger per Fahrrad aus. Dann kommt der Berliner Winter, und die fünf Jungs vermissen die Sonne Australiens, den Ozean, die Wärme. Doch sie halten durch.

Auch vier Jahre später sind die Parcels noch in Berlin zu Hause, verstreut über Neukölln und Kreuzberg. Doch viel Zeit verbringen sie nicht in der Stadt. Gerade war es mal eine Woche, vor allem zum Proben. „Das war für uns schon ein langer Zeitraum, den wir hier am Stück verbracht haben“, sagt Gitarrist Jules Crommelin. „Aber jedes Mal, wenn wir zurückkommen, stellt sich dieses Gefühl wieder ein: von Nach-Hause-Kommen, von Behaglichkeit“, ergänzt Bassist Noah Hill.

Keiner will in der Gruppe der Chef sein

Kein Wunder, dass sie viel unterwegs sind: Gerade ist das selbstbetitelte Debütalbum der Parcels herausgekommen. Jetzt sind sie auf Promo-Tour, an diesem Vormittag kurz vor der Veröffentlichung bauen sie ihr Equipment im Funkhaus auf, dem alten Studiokomplex in Berlin-Rummelsburg, um eine Session für eine Online-Musikplattform zu spielen. Doch vorher setzen sich Crommelin und Hill noch für ein Gespräch ans Ufer der Spree.

Beide sind jung, genau wie der Rest der Band. Hill, gerade mal 21 Jahre alt, trägt lange rotblonde Locken, Crommelin mit 23 Jahren schon einen George-Harrison- Gedächtnis-Schnauzer. Die Musiker sind ganz normale junge Männer, schmächtig, weniger herausgeputzt als auf dem Coverfoto des Albums, das sie in altmodischen Piloten- und Mechanikeroutfits zeigt.

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Als sie im Teenageralter anfingen, zusammen Musik zu machen, war es ihnen natürlich wichtig, cool zu sein. „Wir wollten etwas Hippes machen“, erklärt Jules Crommelin. „Es war eine Trying-to-be- cool-Band“, sagt auch Noah Hill und grinst. Immer wieder führen sie gegenseitig ihre Gedanken zu Ende. Sie kennen einander gut, ihre Freundschaft hat die vergangenen Bandjahre unbeschadet überstanden. „Das war erstaunlich einfach“, sagt Hill. „Wir mögen uns eben.“

Dass sie so gut miteinander auskommen, hat auch damit zu tun, dass keiner in der Gruppe der Chef sein will. Bei den Parcels funktioniert es so: „Die Person, die den Song schreibt, singt ihn auch“, erklärt Crommelin. Auf der Debütplatte ist er es, der die meisten Titel beigesteuert hat und demnach auch am häufigsten den Leadgesang übernimmt. Er singt mit sanfter, sehr luftiger Stimme. Die Übrigen intonieren dazu einen Harmoniegesang und verleihen dem Ganzen eine 70er-Jahre-Aura, die den Sound vertraut wirken lässt und trotzdem frisch. Eine tanzbare Mischung aus Disco, Indie-Pop und ein bisschen Elektronik, irgendwo in der Mitte zwischen Chic, Phoenix und Daft Punk.

Daft Punk verdanken die Parcels viel

Gerade Letzteren verdanken die Parcels viel. Zweieinhalb Jahr ist es her, seit die Band die Bekanntschaft des französischen Duos gemacht hat. Nach einer Show in einem Pariser Kellerclub kamen Daft Punk hinter die Bühne und luden die Parcels in ihr Studio ein. Das Ergebnis: die Single „Overnight“ – und eine Menge Erfahrung. „An ‚Overnight‘ zu arbeiten, hat uns verändert, unsere Art, über Musik zu denken und an ihr zu feilen“, sagt Hill.

Thomas Bangalter, die eine Hälfte von Daft Punk, hat ihnen zudem Tipps für das Debütalbum gegeben. Er half ihnen, ein paar ihrer Songs auszuwählen und die Richtung zu finden, in die sie den Sound weiterentwickeln sollten. „Den Rest hat er uns überlassen“, sagt Jules Crommelin. „Wir wollten die Platte selbst machen, und Daft Punk haben uns geholfen, daran auch zu glauben.“

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Die Aufnahmen fürs Album dauerten ein Jahr, viele der Songs entstanden auch in dieser Zeit. 50 Demos haben sie aufgenommen, 16 Songs davon anschließend produziert. Zwölf sind letzten Endes auf „Parcels“ gelandet. Ständiger Begleiter dabei: Selbstzweifel. Auch heute noch. „Aber wir sind besser geworden“, konstatiert Crommelin. „Jetzt empfinden wir vor allem Stolz“, fügt Noah Hill hinzu. Darüber, dass sie die Platte allein vollendet haben.

Nun geht es auf Tour: knapp 50 Konzerte in einem halben Jahr. Zum Glück müssen sie diese Zeit nicht mehr im Minivan verbringen, wie noch vor einer Weile. „Jetzt haben wir einen Bus.“ Hill muss lachen. „Jeder neue Schritt ist aufregend“, sagt er. Das sei das Schöne, wenn man als Band nach und nach wachse. Neues Equipment, ein neuer Scheinwerfer, nun eben ein richtiger Bus.

Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll – von wegen

Dann steht dem wilden Tourleben nichts mehr im Weg, oder? Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll – von wegen: „Bei uns gibt’s eher Kokoswasser“, erwidert Hill. Trinken, jede Nacht Party, dann früh raus, weiterfahren und alles wieder von vorn – das würden sie nicht überleben, sagt er. „Wir sind verletzlicher als viele andere Bands.“ Ihre Stücke sind musikalisch durchaus anspruchsvoll, so eingängig sie auch klingen mögen. „Wenn ich da live nicht wirklich da bin, dann wird es schlimm“, erklärt der Bassist.

Den Musikern ist es wichtig, eine gute Show zu spielen. Doch danach wieder runterzukommen, das fällt ihnen schwer. „Du gehst von der Bühne und sitzt alleine backstage“, sagt Jules Crommelin. „Dann räumst du das Equipment auf, verschwindest in der Koje und schläfst.“ Das sei alles eher deprimierend. Doch bei dieser Tour, ihrer ersten als Headliner, da wird es anders, da ist er sich sicher. „Wir müssen ja wieder raus und Fanartikel verkaufen“, sagt er und lacht.

Ob sie sich den Job so vorgestellt haben, damals am Strand von Byron Bay? Crommelin sagt: „Jeden Tag erinnere ich mich daran, wie glücklich wir uns schätzen können.“ Sie verdienen ihr Geld ausschließlich mit Musikmachen. Und in Zukunft? „Wenn wir 40 sind und Bierbäuche haben, ziehen wir aufs Land“, sagt Noah Hill. „Dann haben wir ein paar Kinder und füttern die Hühner am Morgen.“

„Parcels“ ist bei Caroline erschienen. Konzert: 12. 12., 20 Uhr, Columbiahalle

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