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Kunstkritikerin Roberta Smith in der American Academy: Raus aus dem Haus!

Roberta Smith ist seit Jahrzehnten die Königin der amerikanischen Kunstkritik. Jetzt sprach sie in American Academy am Wannsee über ihre Profession.

Von Nicola Kuhn

Das stellt Roberta Smith mit ihrem ersten Satz klar: „Ich bin eine arbeitende Kunstkritikerin und betreibe die richtige Kritik.“ Die Lacher hat die Ko-Chefkritikerin der „New York Times“ beim Talk in der American Academy gleich auf ihrer Seite. Ansonsten macht es Isabelle Graw als Gesprächspartnerin dem frisch eingeflogenen Gast nicht leicht. Die Mitbegründerin des Magazins „Texte zur Kunst“ und Professorin für Kunsttheorie und -geschichte an der Frankfurter Städel-Schule versucht die amerikanische Journalistin auf Theoriefestigkeit abzuklopfen und bekommt doch nur zu hören: „Ich will meine Leser dazu bringen, aus dem Haus zu gehen und sich Kunst anzuschauen. Ich möchte Zugang vermitteln.“

Die Begegnung der beiden bekannten Autorinnen gestaltet sich geradezu als Clash der Kulturen, als vermeintlicher Zusammenprall von amerikanischem Pragmatismus und deutscher Intellektualität. Befragt nach ihrem Umgang mit Künstler-Äußerungen, die zunehmend Teil eines Werkes darstellten, erklärt Roberta Smith mit feinem Lächeln, dass sie keine große Leserin sei und für sie vor allem das Artefakt zähle. „Ich befinde mich da auf einem niedrigeren Niveau“, bescheidet sie ihre Fragenstellerin mit einer Koketterie, die von jener jedoch leider unbemerkt bleibt.

So spielt die Queen der New Yorker Kunstkritik in der American Academy bis zum Schluss das Aschenbrödel und will sich auch nicht auf die Feinheiten von gleichzeitiger Assoziation und Dissoziation in der Kritik einlassen. Sie gebe nur ihre eigene Meinung kund und sage rundheraus, wenn etwas großartig sei oder wenn es „stinkt“. Der kurzweilige Schlagabtausch mit allzu ungleich verteilten Rollen lässt sein Publikum jedoch unbefriedigt zurück. Wenn jeder im Kunstbetrieb eine Stimme besitzt, wie Roberta Smith sagt – der Galerist, der Käufer, der Kritiker –, wie viel Gewicht hat dann eigentlich die Kritik?

Nur zwei Mal redet sich die rechtschaffene Amerikanerin dann doch in Rage: etwa als sie kurz auf das Drama am New Yorker Museum of Modern Art zu sprechen kommt, von dem Berlin einmal profitieren werde. Ist nun der umstrittene Abriss des American Folk Art Museums zur Erweiterung des MoMA gemeint oder die zunehmende Eventisierung des Ausstellungsbetriebs? Was könnte Berlin davon haben? Da würde man gerne mehr hören. Und als Smith sich darüber beklagt, dass wir alle von Kindesbeinen an der Literatur zugeführt werden, automatisch das Lesen, aber nicht das Schauen lernen, zu dem der ganze Köper gehört, würde man gerne wissen, wie die zarte Person das eigentlich macht. Wie sie seit Anfang der Achtzigerjahre Woche für Woche Rezensionen über New Yorker Ausstellungen verfasst, die mit Zittern und Zagen von Künstlern wie Galeristen erwartet werden und von ihrer Verve bis heute nichts eingebüßt haben.

Ob es nicht doch zu hart gewesen sei, was in ihrer jüngsten Review über den zunehmend ins Kunstfach wechselnden Schauspieler James Franco stand, fragt sich der Gast der American Academy selbst vermeintlich skrupulös. Natürlich nicht! Smith’ Leitstern ist der Minimalist Donald Judd, dessen theoretische Schriften sie editiert und der sie Klarheit und Härte gelehrt hat. Nur welches Wissen, welche kunsthistorischen Kenntnisse sie besitzt, damit will die kluge Kritikerin an dem Abend partout nicht prunken. Man muss sie wohl lesen.

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