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Kultur: Reden ist Silber

Krach um den Hamburger Bahnhof: Der Marx-Kurator Heiner Bastian wirft hin und attackiert die Stiftung Preußischer Kulturbesitz

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Berlin diskutiert gerade die fehlende Kunsthalle, aber nicht nur da gibt es Streit um die Kunst. Was seinen Ausgang mit einem geharnischten Beitrag im Tagesspiegel vom 12. März nahm, hat nun Taten folgen lassen. Vehement hatte Heiner Bastian, der Kurator der Sammlung Erich Marx im Hamburger Bahnhof, in seinem Artikel Kritik an den Museen der Stadt geübt: „Während sich die Berliner Galerien Weltgeltung erarbeiten, verspielen die Museen ihr Potenzial, geben ihre Ansprüche auf.“ In einem Interview der April-Nummer der Kunstzeitschrift „Monopol“ attackiert er nun namentlich den Generaldirektor Peter-Klaus Schuster und den Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, für ihre Versäumnisse. Seine Philippika gipfelt darin, dass er sich mit sofortiger Wirkung als Kurator der Sammlung im Museum für Gegenwart zurückzieht. Gegenüber dem Tagesspiegel legte er gestern nach, dass seine Geduld am Ende sei, all die geführten mahnenden Gespräche hätten nichts gefruchtet.

Dieser öffentlichkeitswirksame Schritt fällt in eine Zeit, da der Hamburger Bahnhof immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist. Die Bilanz zum zehnjährigen Bestehen 2006 fiel zwar von Seiten der Macher positiv aus; so wurde ein dickleibiges Buch mit der Auflistung aller Ausstellungen und Aktivitäten publiziert. Doch hat dieses Selbstbild mit der öffentlichen Wahrnehmung wenig gemein. In der Diskussion um eine fehlende Kunsthalle in der Stadt werden nicht zuletzt die Defizite des Hamburger Bahnhofs immer wieder aufgeführt, der – so wird beklagt – viele wichtige Ausstellungen an Berlin vorüberziehen lässt. Nicht einmal den gleich nebenan in ihren Ateliers arbeitenden Weltstars Thomas Demand oder Olafur Eliasson seien bislang eigene Präsentationen offeriert worden.

Bastian trägt die Kritik allerdings mit einem Furor vor, die staunen macht. Schließlich war der schillernde Kunstkenner in diesen vergangenen zehn Jahren als Marx-Kurator beständig gegenwärtig und wusste seinen Einfluss durchzusetzen, was die Präsentation der Sammlung betraf, die mit Beuys, Warhol, Rauschenberg und Twombly eine Grundlage des Museums bildet. Die für Außenstehende nicht immer klar zu durchschauende Konstellation – ehrenamtlicher Kurator einer Privatsammlung wirkt im öffentlichen Museum maßgeblich mit – erhielt eine andere Drift, als 2005 die Sammlung Flick als Leihgabe an den Hamburger Bahnhof hinzukam. Ganz offensichtlich ging es hier nicht nur um eine Prolongierung der Schaubestände hin zur Zeitgenossenschaft, sondern auch um eine Neutarierung des hausinternen Kräftegleichgewichts. Wie empfindlich dies getroffen sein muss, wird auch aus den Äußerungen Bastians klar, der Schuster und Lehmann vorwirft, sie hätten sich von Flick über den Tisch ziehen lassen: „Vor allem hat man versäumt, einen Kodex zu entwickeln, der festlegt, was für Werke nach den sieben vereinbarten Jahren der Stadt und ihren Museen erhalten bleiben.“

Damit nennt er einen höchst sensiblen Punkt, der gleichwohl auch ihn selber als ehemaligen Kunsthändler betrifft. Aus dem Hamburger Bahnhof wanderten in den letzten Jahren ursprünglich der Sammlung Marx zugehörige Werke, die nicht zum erklärten Kernbestand des Museums gehören, ins internationale Auktionsgeschäft. Das brachte dem Hamburger Bahnhof die spöttische Bezeichnung ein, die größte Verkaufsgalerie Berlins zu sein. Dennoch behält auch ein Heiner Bastian recht, wenn er die problematische Beziehung zwischen Privatsammlern und öffentlichen Museen beklagt.

Hier wird es höchste Zeit, die Position der Museen zu stärken; allein der Hamburger Bahnhof besitzt weder einen eigenen Ausstellungs- noch Ankaufsetat, so Bastian, der sich auch gleich mit Aplomb aus dem Verein der Freunde der Neuen Nationalgalerie verabschiedet hat. Dem Förderverein macht er zum Vorwurf, statt zu helfen mit seinem 450 000 Euro-schweren Kunstpreis die Misere am Hamburger Bahnhof nur zu verschlimmern, da er für drei Wochen Leben simuliert, wo schon lange keines mehr sei.

Die harsche Kritik von Heiner Bastian fällt auch in eine Zeit, in der sein eigenes Galerie- und Ausstellungshaus vis-à-vis der Museumsinsel seiner Fertigstellung entgegengeht, auch wenn der Kunstexperte jeglichen Zusammenhang abstreitet. Der von Chipperfield errichtet Bau am Kupfergraben wird im Erdgeschoss eine wissenschaftliche Buchhandlung von Walther König beherbergen, im ersten Geschoss die Galerie Contemporary Fine Arts. Im 380 Quadratmeter großen Obergeschoss wird Bastian seine Privatsammlung präsentieren. Die Eröffnung ist für Mitte September geplant.

Schuster selbst wollte sich gestern zu den Vorwürfen Heiner Bastians nicht äußern. In Anspielung auf das berühmte Zitat von Joseph Beuys – „Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet“ – erklärte er nur: „Das Reden von Heiner Bastian wird überbewertet.“ Hätten sie nur früher miteinander gesprochen. Schließlich geht es um mehr, als um die Eitelkeit von Museumsmännern.

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