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Lieber Mutter als Stararchitektin. Cate Blanchett als Bernadette.

© Universum

Richard Linklaters „Bernadette“: Cate Blanchett flieht in die Antarktis

Selbstfindungsgedusel vor Pinguin-Kulisse: Titelheldin Bernadette reist an das eisige Ende der Welt, um dem Frust ihres Hausfrauenlebens zu entkommen.

Mama ist weg. Aus dem Badezimmerfenster gehüpft. In die Antarktis aufgebrochen. Obwohl der Südpol doch eigentlich das Traumziel von Bee, Bernadettes Teenagertochter, ist. Die altkluge Fünfzehnjährige fungiert in Richard Linklaters „Bernadette“ als Erzählerin. Mama paddelt im Kajak zwischen den weißen Schollen, die eisigen Enden der Welt sind seit jeher für Fantasien vom Verschwinden gut.

So winzig der Mensch, so erhaben die Natur. Nur tauchen die Menschen auch am Pol im Zuge klimabedingten Tauwetters immer schneller wieder auf. Das gilt auch für Bernadette Fox aus Seattle, die der Stagnation und dem Frust ihres Hausfrauenlebens entflieht und als wiedererweckte Künstlerin aus der Antarktis zurückkehrt. Und zugleich dableibt, um als Architektin eine Forschungsstation zu entwerfen.

Cate Blanchett spielt die Titelheldin. In die schönen Züge dieser klugen Charakterdarstellerin zu blicken, kann eigentlich niemals ein Fehler sein. Das hat sich sicher auch Linklater gedacht und ihr die Hauptrolle gegeben. Merkwürdig nur, dass sich die mehrfach Oscar-prämierte Blanchett für sein verschwurbeltes Drehbuch erwärmt hat.

Der Witz von Maria Semples Romanvorlage „Wo steckst du, Bernadette?“ wird in Linklaters Verfilmung durch die hart am Kitsch vorbei- schrammende Sentimentalität eines handelsüblichen US-Familiendramas konterkariert. Der Tonfall schlingert zwischen Komödie und Psychodrama.

Und die Lakonie, die Blanchett Bernadettes Dialogen einzuhauchen versucht, läuft angesichts des arg konstruierten Charakters ein ums andere Mal ins Leere. Da nützt auch die Grandezza nichts, mit der Bernadette ihr Professorinnenoutfit mit einem Hauch Anna Wintour trägt.

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Eine gefeierte Architektin tappt in die Geschlechterfalle

Rückblenden offenbaren das Drama der als jungem Genie gefeierten Architektin. Sie erleidet eine schwere Niederlage, als eins ihrer Hausprojekte plattgemacht wird. Die Frau des IT-Managers Elgie (bemerkenswert blass: Billy Crudup) zieht sich in eine von Brombeerbüschen umrankte Villa zurück und tappt widerstandslos in die Geschlechterfalle. Sie kürt Haus und Tochter zu ihrem neuen Projekt.

[„Bernadette“ in 19 Berliner Kinos; OV: Cinestar im Sony Center, Passage.]

Bernadettes Kontakt zur Welt beschränkt sich auf patzige Dialoge mit den Normalo-Müttern der Nachbarschaft (wie immer großartig: Kristen Wiig). Alltägliche Besorgungen delegiert die nerdige Bernadette an die in Indien angesiedelte virtuelle Assistentin Manjula. Ein System, das so lange gutgeht, bis ein abgerutschter Hang das Nachbarhaus von Familie Fox verwüstet und ein FBI-Agent auftaucht, der in einem Fall von Cyberkriminalität ermittelt.

„Ich kann Robotern beibringen, was Menschen brauchen, aber was deine Mutter braucht, habe ich nie verstanden“, offenbart der ratlose Elgie Bee. Die hat sich von den Eltern eigentlich eine gemeinsame Weihnachtsreise in die Antarktis gewünscht. Bernadette fährt schon mal vor, um der Einweisung in die Psychiatrie zu entkommen.

Eine originelle Tochter-Mutter-Freundschaft

Während der abwesende Vater seine Seele im Silicon Valley verhökert, sind Tochter und Mutter zu Seelenverwandten verwachsen. Mit „Boyhood“ ist Richard Linklater 2014 ein staunenswert feinnerviges Jugend- und Familienporträt gelungen. Hier bleibt die innige Freundschaft zwischen Bernadette und Bee das einzige originelle Rollenmodell – wo sich Töchter und Mütter im Kino doch meist die Augen auskratzen.

„Sie lebt für mich und ich für sie“, beschreibt Bee dem verdutzten Vater die exklusive Bindung. Emma Nelson verkörpert die Muttertochter als hochbegabten bebrillten Bücherwurm.

Der Rest ist konventionelles Selbstfindungs- und Familiengedusel vor telegener Pinguin-Kulisse. Gekrönt von dem raschelnden Drehbucheinfall, dass kreative Geister, die ihrer Schöpferkraft nicht mehr trauen, zu einer Gefahr für sich und die Allgemeinheit werden. Im Kino ist das Gegenteil viel öfter der Fall.

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